Aus-gesöhnt

Aus-gesöhnt?

Junge Akademie im Gespräch mit dem polnischen Botschafter

© EAzB

Studienleiterin Claudia Schäfer mit dem Botschafter der Republik Polen Dr. Jerzy Marganski

„Wglady – Einblicke“ hieß der Auftakt einer jungen Fachgesprächsreihe, die sich am 2. Juli 2013 mit dem Botschafter der Republik Polen, Dr. Jerzy Marganski, in der Charlottenstraße traf.
25 junge Expertinnen und Experten für deutsch-polnische Fragen aus beiden Ländern diskutierten in der Evangelischen Akademie mit dem neuen polnischen Repräsentanten. Unter dem Titel „Aus-gesöhnt“ fragten sie nach der Rolle der jungen Generation und ihres Beitrags zur Entwicklung des deutsch-polnischen Verhältnisses. Ziel der Fachgespräche im Rahmen der Reihe „Wglady – Einblicke“ ist es, wichtige polnische und deutsche Persönlichkeiten mit der jungen Entscheidergeneration ins Gespräch zu bringen. Beide Seiten profitieren dabei von der Expertise und den Perspektiven der jeweils anderen. Das Interesse war schon im Vorfeld groß und aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl konnten nicht alle dabei sein, die gerne mit diskutiert hätten.

In ihrer Einführung stellte Studienleiterin Claudia Schäfer die reiche Tradition polnisch-deutscher Veranstaltungen an der Evangelischen Akademie heraus, die maßgeblich mit der  jahrzehntelangen, wegweisenden Vermittlungsarbeit Ludwig Mehlhorns verbunden ist. „Diese Traditionslinie des polnisch-deutschen Dialoges aufzunehmen, neu auszurichten und zu verjüngen ist das Ziel“, so Schäfer. Wichtige Fragen seien dabei, welche Rolle der Generation „der um die 30-jährigen“ bei der Entwicklung des deutsch-polnischen Verhältnisses zukommt und welche spezifischen Perspektiven sie in die zukünftige Entwicklung einbringen. Agiert diese Generation tatsächlich „aus-gesöhnt“ oder hat es sich „aus-gesöhnt“, weil neue Formen der Kommunikation über die Vergangenheit in der Enkel- und Urenkelgeneration fehlen? Ziel ist das kompetente Sprechen über die polnisch-deutschen Beziehungen und deren Sensitivitäten, sowie über die gemeinsamen europäischen Themen. „Jüngere Verantwortungsträger in Politik und Wirtschaft, in Kultur und Bildungsarbeit sind dabei von einem vereinten Europa und neuen Selbstverständlichkeiten geprägt, sehen aber auch ganz neue Herausforderungen.“

In seinem Vortrag stellte Botschafter Marganski heraus, dass die Generation der heute um die 30-jährigen in Polen in vielerlei Hinsicht eine erste Generation sei. Das Gefühl der Sicherheit in einem vereinten Europa gehöre ebenso dazu wie die Möglichkeit, das eigene Leben wirtschaftlich und räumlich selbst zu planen. Mit ihren europäischen Altersgenossen teilten sie erstmalig eine gemeinsame Erfahrung der Welt und eine gemeinsame Sprache. Neu sei insbesondere der unbefangene Dialog mit ihren deutschen Altersgenossen „ohne die Migräne der Geschichte“ als ständigem Begleiter, sowie die Tatsache, dass das polnisch-deutsche Verhältnis auch bei Missstimmungen nicht sofort in Frage gestellt wird. Er wertete es dabei als Zeichen der Normalisierung des Diskurses, dass sich in den Konflikt um die ZDF-Dokumentation „Unsere Mütter, unsere Väter“ und deren Darstellung der Armia Krajowa (Heimatarmee) keine Politiker eingeschaltet hätten.
Besonderes Potential für zukünftige Verständigungsprozesse sieht Marganski im gemeinsamen Blick auf die Entwicklung Europas, auch wenn diese gemeinsame Blickrichtung die Gefahr berge, dass Desinteresse an der historischen Erfahrung des Nachbars wachse. Außerdem stellt er die Rolle der Künstler in den Vordergrund, die zeigen könnten wie man einen Dialog mit Themen führen kann, die beide Länder betreffen, ohne notwendigerweise das Verhältnis selbst in den Blick nehmen. Auf den Einwurf der Studienleiterin Claudia Schäfer, dass die „Elitenharmonie noch nie so groß wie heute war und im Gegensatz zum Desinteresse in großen Bevölkerungsteilen“ stehe, fügte er an, dass konkrete Ideen für die Zukunft insbesondere in der Breitenwirkung gesucht werden müssten, etwa mit Filmen in deutsch-polnischer Koproduktion. Das größte Problem sei nach wie vor Desinteresse. Auch die chancenreichen sozialen Medien beinhalteten das Risiko der Oberflächlichkeit.
In der lebhaften Diskussion widersprachen einige Teilnehmer dieser Sicht auf neue Medien, die sie als große Chance für den zeitnahen Austausch von nationalen Mediendebatten und Anschlusskommunikation dazu sehen. Bei vielen weiteren Themen sahen die Teilnehmer starken binationalen Diskussionsbedarf. Etwa bei Radikalisierungstendenzen, der sozioökonomische Situation, Familienpolitik und dem deutsch-polnischen Grenzgebiet mit seinen gemischten Bevölkerungsstrukturen in einem europäisch einmaligen Grenzraum.
Auch Möglichkeiten der Stärkung des Interesses für den Nachbarn wurden debattiert. Dies betrifft Fragen der jungen Polonia, des entstehenden gemeinsamen Geschichtsbuchs und der Sprachbildung – hier sahen die Teilnehmer durchaus die Notwendigkeit, mehr von den jungen Deutschen bezüglich des Spracherwerbs zu verlangen.
Die Reihe wird fortgesetzt.

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