Religion im Rechtsextremismus

Religion im Rechtsextremismus

Tagungsbericht

© Fotolia Lava Lova

Thor`s Hammer mit Doppelspirale & Dreifaltigkeit

„Walvater Wotan“ soll den Judengott ersetzen – so singt es die Rechtsrockband „Landser“ zu heftig hämmernden Beats. Im Rahmen der Tagung „Religion im Rechtsextremismus“ am 2. und 3. Juni 2014 führten der Sozialwissenschaftler Jan Raabe gemeinsam mit Henning Flad von Diakonie Deutschland in die Bedeutung von Religion im Rechtsextremismus und die Gewalt verherrlichenden Hintergründe der Musiker ein. Für sie ist Religion kein Abfallprodukt, sondern gehört zum Kern ihrer Weltanschauung. Erkennbar ist dies an Symbolen wie dem Thorhammer, aber auch in der Beschwörung rassereiner und kriegerischer nordischer Gottheiten, die gegen den Völker verbindenden Christen- und Judengott gestellt werden.

Dementsprechend widersprach der Theologe Rolf Schieder, Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, vehement der These, dass dem Monotheismus wegen der Absolutheit seiner Forderungen ein besonderes Gewaltpotenzial innewohnt, während Polytheismen eine besondere Friedfertigkeit pflegen. Zum einen seien die Nationalsozialisten Polytheisten gewesen, zum anderen beinhalten die biblischen Texte eine Fülle von Beispielen, in denen ein nicht auf Gott bezogenes religiöses Verhalten geduldet wird und nicht zur Vernichtung des „abweichend Gläubigen“ führt.

Der systematische Theologe Professor Wolfgang Palaver von der Universität Innsbruck führte vor dem Hintergrund der Theorien des Religionsphilosophen René Girards in die Natur von Feindkonstruktionen ein. Ein äußerer Feind führe zu innerer Geschlossenheit. Während in archaischen Zeiten damit auch eine Wertschätzung des Feindes verbunden gewesen sei, neige man in der Moderne zu absoluter Feindschaft und Aberkennung von Menschenwürde des Gegners; er werde als Schädling denunziert oder sogar getötet. Rechtsextreme treiben die Enthemmung der Feindschaft laut Palaver auf die Spitze. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verschärfe sich in Krisensituationen, weil solche Situationen die Tendenz zur Feindschaft insgesamt förderten. Nach Girard führe nicht Aggression sondern Konkurrenz zu Gewalt.

In der Folge bestimmte die Auseinandersetzung über Differenzen und Nähen zwischen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus die Diskussionen der Tagung. Jan Buschbom vom Violence Prevention Network e. V wies auf die Existenz antisemitischer Denkstrukturen in aktuellen Debatten hin, die auch von Menschen vertreten würden, die nicht zur Rechten Szene gehörten. Rechte Denker wie Mircea  Eliade würden auch dort wertgeschätzt. Jennifer Stange von detektor.fm berichtete von gegen eine liberale Gesellschaft gerichtete Aktionen fundamentalistischer Christen in Sachsen. Die Vertreterin des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, Dr. Hilke Rebenstorf, erläuterte die Parameter der Rechtsextremismusstudie der EKD, die das Verhältnis der Protestanten zu rechtsextremen Gedankengut überprüfen soll.

Das Fazit der Fachtagung lautete, dass alle Motive innerhalb der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit Teile des Weltbilds von Rechtsextremen sind, diese aber durch Gewaltbereitschaft und den Willen zur Abschaffung der Demokratie über bloße Meinungsäußerungen hinaus zu konkreten Bedrohungen werden. Beispiele dafür hatte Stadtjugendpfarrer Michael Kleim aus Gera zu Eingang der Tagung sehr eindrücklich geschildert. Motive gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die sich nicht mit Gewaltbereitschaft und antidemokratischen Bestrebungen verbinden, sind hingegen eine Frage der Einstellung und finden sich auf der Rechten, der Linken und in der Mitte. Offen bleibt, wann und welche dieser Motive zur Bedrohung einer offenen Gesellschaft werden.

Diakonie Deutschland und die Evangelische Akademie zu Berlin werden ihre Zusammenarbeit in diesem Themenfeld im kommenden Jahr fortsetzen.

Heinz-Joachim Lohmann

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