Nachlese Wirtschaftsethisches Frühstück

Integration lohnt sich

Vortrag von Marcel Fratzscher beim „Wirtschaftsethischen Frühstück“

© EAzB

Die Integration von Flüchtlingen ist eine langfristig lohnende Investition – zu diesem Ergebnis kommt Professor Dr. Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in seiner jüngsten Studie. Kaum ein anderer Wissenschaftler erhält derzeit eine so große und emotional gefärbte Resonanz in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Beim „Wirtschaftsethischen Frühstück“ der Evangelischen und Katholischen Akademie in Berlin am 9. März hat der Ökonom seine wichtigsten Thesen vorgestellt.

Die gegenwärtige Diskussion um Flüchtlinge fokussiere sich meist ausschließlich auf die Kosten, die dem Staat für die Unterstützung der Geflüchteten entstünden, kritisiert Fratzscher. Zum einen werde dabei nicht berücksichtigt, dass die Kosten bei nicht gelingender Integration der dauerhaft bleibenden Zuwanderer deutlich höher liegen würden, betonte er in seinem Vortrag über „Die wirtschaftlichen Chancen und Risiken der Integration von Flüchtlingen in den deutschen und europäischen Arbeitsmarkt“. In seiner Studie weist er außerdem darauf hin, dass die positiven wirtschaftlichen Effekte der Investitionen in Geflüchtete meist vernachlässigt würden. Diese Effekte seien aber relevant: Nachfrageimpulse würden beispielsweise durch die Ausstattung von Unterkünften ausgelöst, ebenso wie durch die Investition in neue Wohnungen oder auch die Geldmittel, die Flüchtlingen zum Konsum zur Verfügung gestellt werden.

Drei Szenarien entwickelt der DIW-Chef in seinem Papier: Ein optimistisches Szenario, ein Basisszenario und ein pessimistisches Szenario. Unabhängig davon, welche Bedingungen dabei zugrunde gelegt werden - in jedem Fall sei deutlich, dass sich positive Effekte einstellen, dass es aber auch einige Jahre dauern werde, bis die Gesellschaft beispielsweise durch Rentenbeiträge von Zugewanderten einen nachhaltigen Ertrag erhalte. Diese Frist müsse eine Gesellschaft – ähnlich wie bei hierzulande Geborenen, in deren Ausbildung zunächst jahrelang investiert werde - in Kauf nehmen.

Die Sorge um eine mögliche Verdrängung einheimischer Geringqualifizierter auf dem Arbeitsmarkt durch Flüchtlinge hält Fratzscher für unbegründet. Er stellt ihr den so genannten Fahrstuhl-Effekt entgegen: Demnach werden deutsche Arbeitnehmer durch die überwiegend kaum qualifizierten Flüchtlinge nicht in die Arbeitslosigkeit, sondern in besser bezahlte Arbeitsbereiche „gedrängt“. Ein Verteilungskampf auf dem Arbeitsmarkt wird seiner Ansicht nach nicht stattfinden.

Der Schlüssel für eine gelingende Integration liegt für Fratzscher in der Bildung und beruflichen Qualifikation von Flüchtlingen. Im Vergleich der Industrieländer stehe Deutschland im Blick auf die Investitionen in den Bildungsbereich ohnehin schlecht dar – der Zustrom von Geflüchteten sei ein guter Anlass, dies zu ändern. Der Ökonom weist auf die Bedeutung der Flüchtlinge als Teil des Humankapitals in Deutschland hin: Wenn dort nicht investiert werde, bestehe keine Chance auf Wachstum, durch das Schulden abgebaut werden können. Daher rentierten sich Investitionen in diesem Bereich für die gesamte Gesellschaft.

Sehr wichtig ist es Fratzscher in diesem Zusammenhang, nicht von der grundlegenden humanitären Verpflichtung, schutzbedürftige Menschen aufzunehmen, abzusehen. Der DIW-Chef lehnt es ab, geflüchtete Menschen – genauso wie auch die in Deutschland geborenen Bürgerinnen und Bürger – nach ihrem ökonomischen Nutzen, also etwa nach ihren Steuerbeiträgen zu bewerten. Einer solchen Perspektive entsprechend seien zwei Drittel aller in Deutschland lebenden Arbeitnehmer ein „Verlustgeschäft“. Der Ökonom weist darauf hin, dass es sehr viele Menschen zum Beispiel im Pflegebereich, gibt die wenig verdienen, gleichwohl aber einen extrem wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Mit dieser Logik möchte er auch die Geflüchteten betrachtet wissen.

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