Die Seele im biotechnologischen Zeitalter - Natur- und Geisteswissenschaften im Gespräch

Die Seele im biotechnologischen Zeitalter

Natur- und Geisteswissenschaften im Gespräch

© EAzB

21. Oktober 2010

II. Seelen-Bildungen

Lange Zeit war das Thema ‚Seelen-Bildung‘ eine Domäne der Theologen, die den Menschen in seiner sündigen Existenz und Ebenbildlichkeit zu Gott erfassten und aus diesem existentiellen Konflikt heraus die Aufgabe einer Vervollkommnung des Menschen dachten. Die durchaus umstrittene Frage, ob der Mensch als ‚beseeltes‘ Wesen durch seine Herkunft oder Zukunft bestimmt ist, scheint im Zeitalter Darwins eine Antwort gefunden zu haben: Der Mensch ist das vorerst letzte Produkt eines Entwicklungsprozesses des Lebens, ein arrivierter Affe, dessen Fähigkeiten und Vermögen als Verfeinerungen seiner tierischen Anlagen vollständig beschreibbar sind. Was wir unter der Seele verstehen, das lässt sich als Komplexitätsgrad
psychischer Strukturen darstellen, welche wiederum nur verinnerlichte Momente des Instinkthandelns sind. Doch ist wirklich so einfach? Ist es nicht vielmehr so, dass wir in unserer Rede von der Seele eine Instanz
reklamieren, die mehr ist als eine Summierung neuronaler Netze und mentaler Aktivitäten und Reiz Reaktions-Muster? Johann Gottfried Herder hat vom ‚Königsvorzug‘ des Menschen gegenüber anderen Lebewesen gesprochen, die sich in einem bestimmten Verhalten zur Welt artikuliert. Während selbst das höhere Tier aufgrund und trotz seiner Naturgebundenheit immer ‚ein gebückter Sklave‘ bleibt, erscheint der Mensch als ‚der erste Freigelassene der Schöpfung‘. Im aufrechten Gang drückt sich ein
eigentümliches Verhalten zur Welt und eine Haltung in der Welt aus, in der Herder ein Indiz für die ‚Beseelung‘ des Menschen sieht. Der Intuition Herders sind die Disziplinen der Ethnologie, Anthropologie und Theologie auf ihre je eigene Weise verpflichtet. Die Vorträge zu den Seelen-Bildungen werden den Raum vermessen, in dem die Ambivalenz des Menschseins – Teil einer Naturgeschichte zu sein, aus der er heraussteht – zur Sprache kommt.

Keine Selbstbildung ohne Seele. Vom Gewinn eines alten Begriffs für die Theologie. (PDF-Dokument, 211.4 KB)
Dr. Stephan Schaede, Theologe und Direktor der Ev. Akademie Loccum

Stephan Schaede war Referent für Theologie an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg und leitet seit 2010 die Ev. Akademie in Loccum. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Studien zur Bestimmung menschlichen Lebens, darunter Leben I. (2010); Endliches Leben – Interdisziplinäre Zugänge zum Phänomen der Krankheit (2010).

Anmeldung
Newsletter
nach oben

Cookies und Datenschutz

Unsere Webseite nutzt Cookies zur Verbesserung der Bedienung und des Angebots sowie zur Auswertung von Webseitenbesuchen. Einzelheiten über die von uns eingesetzten Cookies und die Möglichkeit diese abzulehnen, finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.