Nachbericht_Luther und die Juden

Ein schmerzhaftes Thema im Gespräch

Jüdische Perspektiven auf Martin Luther

Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, erhofft sich zum 500. Jubiläum der Reformation 2017 ein deutliches Zeichen der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Auseinandersetzung mit den judenfeindlichen Schriften Martin Luthers. Zum Auftakt der Tagung „Reformator, Ketzer, Judenfeind – Jüdische Perspektiven auf Martin Luther“ am 10. Juni 2015 in der Französischen Friedrichstadtkirche zu in Berlin sagte Schuster, bei dem Jubiläum werde zwar das positive Wirken Luthers im Vordergrund stehen. Er hoffe aber, bei dieser Gelegenheit würden auch – etwa in einer Erklärung - die Seiten Luthers benannt, „die in keiner Weise zu akzeptieren sind“. In seiner Schrift Von den Juden und ihren Lügen von 1543 hatte der Kirchenreformator dazu aufgerufen, Synagogen anzuzünden und Juden aus ihren Häusern zu vertreiben.
Nikolaus Schneider, ehemaliger Ratsvorsitzender der EKD, wies im Gespräch mit Schuster darauf hin, dass es in der Auseinandersetzung mit Luthers Antijudaismus in der evangelischen Kirche bereits „einiges an Vorarbeit“ gebe. Er gehe davon aus, dass der Rat der EKD für 2017 eine Erklärung verabschiede oder eine andere Form finde, „in der wir sehr deutlich sagen, dass das, was Luther in diesen Schriften von 1538 bis 1543 gesagt hat (…) wirklich ein Irrtum ist, dass das fatale Folgen hat, das wir uns davon distanzieren, dass wir das auch mit dem Evangelium für unvereinbar halten.“ Weiter sagte Schneider: „Ich würde mir fast wünschen, dass wir das in Abstimmung mit dem Zentralrat machen.“
Der wissenschaftliche Direktor der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden Doron Kiesel betonte in seiner Begrüßung, für Juden gebe es nicht »einen guten oder einen schlechten Luther, es gibt keinen jungen oder alten Luther. Für uns gibt es nur den Luther, dessen Aufforderung, Synagogen abzufackeln und Juden zu vertreiben (…) in das Bewusstsein jüdischer Existenz eingedrungen ist«. Es gebe sogar die Frage, ob nicht Luthers Gedankengut in seiner Kontinuität „eventuell in den Gaskammern von Auschwitz endete“. Solche Fragen müsse man zulassen, wenn man sich mit einer „derart schillernden Persönlichkeit“ auseinandersetze, so Kiesel.
Der Studienleiter der Evangelischen Akademie zu Berlin, Christian Staffa, sagte in Abwandelung eines Zitats von Heinrich Heine, es zieme sich wohl, ein „herbes Urteil“ über Martin Luther zu sprechen. Protestanten müssten sich über die Ursachen von Gewalt gegen Juden klarwerden. In einer immer wieder von antisemitischen Gedanken und Äußerungen geprägten Gegenwart sei er „mehr als dankbar für diese Kooperation“, betonte Staffa.
Im Anschluss des an Deutlichkeit zu den Nachwirkungen Luthers im deutschen Protestantismus nicht mangelnden Vortrages von Prof. Dr. Christian Wiese diskutierten zwei jüdische Stipendiaten und zwei gerade examinierte christliche Theologinnen. Das Gespräch wurde moderiert von Sabena Donath, der Leiterin der Bildungsabteilung des Zentralrates. Dabei wurde deutlich, dass eine neue Phase von Annäherung an Themen christlich-jüdischer Beziehungen nötig ist. Die Theologin Aline Seel bekannte: „Ich misstraue meiner Kirche in dieser Frage, nämlich ob sie sich wirklich diesen antijüdischen Abgründen der eigenen Herkunft widmen will“.

Die Vorträge der Tagung sollen in einer Dokumentation des Evangelischen Pressedienstes zusammengefasst werden. „Wichtig ist dabei: Das Interesse jüdischer TeilnehmerInnen war riesig und es gab bei dieser ersten Kooperation des Zentralrates mit der Evangelischen Akademie zu Berlin ebenso viele jüdische wie christliche TeilnehmerInnen“, betonte Studienleiter Staffa. Damit sei die Tagung auch ein kleiner Meilenstein in der christlich-jüdischen Dialoggeschichte gewesen. „Auch wenn am Ende des Tages es eine protestantische Aufgabe bleibt, die Theologie der Reformation auch neu zu denken, so war eine gemeinsame jüdisch-christliche Reflexion doch ein sinnvoller und notwendiger Impuls für eine weitere grundlegende Arbeit mit Blick auf 2017 und weit darüber hinaus.“

Diese Zusammenfassung von Olaf Glöckner und Christian Staffa basiert auf einem Artikel in der „Jüdischen Allgemeinen“ (Ayala Goldmann) vom 11.6.2015: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22506

Ein Resümee der gesamten Tagung findet sich dort unter http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22532 und auch in "Die Kirche" unter http://tafischer.blog.de/2015/06/20/antijudaist-luther-20567303/

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