Bilanzen zu 100 Jahre Frauenwahlrecht

Bilanzen zu 100 Jahre Frauenwahlrecht

Tischreden zum Nachlesen

© Karl Maria Stadler (1888 – nach 1943) [Public domain], via Wikimedia Commons

Frauenpolitik soll sich überflüssig machen? Dieser oft formulierte Satz gehört historisch betrachtet „selbst auf den Misthaufen der Geschichte“, meint Dr. Gabriele Kämper. Beim Abendforum „Frauen reden zu Tisch“ am 30. Oktober 2018 hielt die Leiterin der Geschäftsstelle für Gleichstellung Berlin eine der Tischreden. Ein weiterer Vortrag kam von der brandenburgischen Landesgleichstellungsbeauftragten Monika von der Lippe.

Frauen gehe es immer darum, „einen Status als Person zu erkämpfen, an der Gesellschaft prägend mitwirken zu können und sich aus den institutionalisierten Gewaltverhältnissen der patriarchalen Kulturen zu befreien“, sagte Gabriele Kämper. In ihrem Impuls „Zwischen Genderstern und Antifeminismus. Gleichstellungspolitik in einer bewegten Stadt“ äußerte sie die Befürchtung, dass die Vorbehalte gegen Frauenpolitik derzeit „neuen Resonanzboden und eine neue Radikalisierung erfahren“. Mit dem erstarkenden fundamentalistischen Islam zeige sich eine ähnliche Entwicklung. „Insgesamt ist zu beobachten, dass aus den verschiedenen Religionen fundamentalistische, zutiefst frauenfeindliche Bewegungen erwachsen, seien es Evangelikale, katholische wie orthodoxe Christen oder fundamentalistische Juden und Hindus, die ihr Frauen und Geschlechterbild mit der extremen Rechten teilen.“

Kämper warnte außerdem vor der Einreihung der Frauenpolitik „in eine Vielfaltspolitik, die über der Fokussierung auf das Individuum die strukturellen Dimension einer zutiefst zweigeschlechtlich organisierten Gesellschaft aus dem Blick verliert“. Es gehe einerseits darum, Frauenrechte – zum Beispiel auf gleiche Bezahlung, auf Gewaltfreiheit oder Führungspositionen – gegen den Vorwurf der Bevorteilung zu verteidigen. Gleichzeitig müsse „das Verschwinden von Frauen als Subjekt, aber auch als Adressat von Frauenpolitik angesichts einer Relativierung von Geschlecht im Namen der Dekonstruktion“ verhindert werden.

Monika von der Lippe verwies in ihrer Rede „Parität in den Wahlgesetzen“ auf die noch immer geringe Zahl von Frauen in der politischen Mitbestimmung. Im Bundestag sind derzeit 31 Prozent Frauen vertreten, in den Landtagen sei es etwa ein Drittel, auf kommunaler Ebene ein Viertel, sagte die brandenburgische Gleichstellungsbeauftragte. Angesichts dieser Zahlen müsse der Staat zweifellos eingreifen.

Nicht der Einstieg von Frauen in die Politik sei das Problem, sondern der Aufstieg, unterstrich von der Lippe. Es gehe um die Kultur innerhalb von Parteien, um das Verständnis von Politik und „sicher auch um Rollenbilder“. Die organisatorischen Rahmenbedingungen von Politik „wirken wie eine unsichtbare Hürde auf Menschen mit bestimmten Verpflichtungen, Lebensweisen und Einstellungen“. Diese Hürde schließe die Menschen nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten aus – und auch nicht aufgrund ihres biologischen Geschlechts, betonte von der Lippe, die hier eine eindeutige „strukturelle Diskriminierung“ diagnostizierte. „Es geht hier eigentlich gar nicht um Frauen“. Von den Änderungen struktureller Hürden würden nicht nur Frauen profitieren, sondern Menschen mit Sorgeverantwortung, auch solche mit Behinderungen oder mit Fluchterfahrungen. „Sehen Sie sich an, welche Berufe in den Parlamenten vertreten sind – wo sind die Erzieherinnen oder Altenpflegerinnen?“ Die Weiterentwicklung der Gleichstellung könne perspektivisch zu einer Verbesserung der Demokratie führen, zu größerer Bürgernähe und zu „einer Politik, die nicht von Eliten für Eliten gemacht wird“.

Den Tischrede von Dr. Gabriele Kämper lesen Sie hier. (PDF-Dokument, 92.7 KB)

Die Tischrede von Monika von der Lippe finden Sie hier. (PDF-Dokument, 94.5 KB)

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