Kommentare zum EKD-Papier Konsens und Konflikt

Weltoffen und standhaft?

Kommentare zum EKD-Papier „Konsens und Konflikt“

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Vier Meinungen zu zehn Impulsen: Im Vorfeld der internationalen Veranstaltung „Weltoffen und standhaft. Kirche in Zeiten des Populismus“ haben wir Mitglieder der Studienleitung um Kommentare zum EKD-Papier „Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung“ gebeten. Die Schrift erhält Lob, aber auch grundlegende Kritik. Folgende Aspekte wurden geltend gemacht: „Kaum institutionelle Perspektiven“ eröffnet der Text nach Ansicht von Dr. Eva Harasta. In Bezug auf das evangelische Eintreten gegen Populismus sieht sie „Konsens und Konflikt“ als sehr stark auf die individuellen Kirchenmitglieder fokussiert. Außerdem bemängelt sie, dass der Text kaum auf die emotional aufgeladenen Inhalte populistischer Politik - Islamfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Nationalismus und Homophobie - eingehe.

Trotzdem sieht Eva Harasta durch das von der EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung publizierte Papier einen „neuen Impuls für die Kirche“ gegeben. „Befreiend ist es zu lesen, dass mancher angebliche ‚Konsens‘ sich nur der systematischen Ausschließung abweichender Meinungen verdanke und Interessen des Machterhalts diene.“ Positiv bewertet sie auch die Vermutung, „dass das Vermeiden von Konflikten um jeden Preis im politischen Bereich das Misstrauen gegen Demokratie gefördert haben könnte“.

Dass die Schrift der EKD einen neuen Blick auf die Bedeutung der Begriffe Konsens und Konflikt in der Gesellschaft wirft, wird auch von Christian Staffa und Timo Versemann begrüßt. Den Konflikt als „Normalfall“ von demokratischer Auseinandersetzung anzusehen helfe, „gegenwärtige Entwicklungen zu verstehen und zu gestalten“, meint Versemann. Das „christliche Amt der Versöhnung“ könne vor diesem Hintergrund kein „billiges ‚Friede, Freude, Eierkuchen‘“ bedeuten. Der Appell „an alle, mehr zu hören und mehr miteinander zu sprechen“, sei folgerichtig. Wie Christian Staffa betont Versemann, dass es dabei eine „rote Linie“ geben muss: „Psychische oder physische Gewalt und die Verachtung der Würde des Menschen werden klar als Grenzsteine der Gesprächsbereitschaft benannt“.

Als „schmerzhaft unpräzise“ empfindet Christian Staffa dagegen die Beschreibung der Erscheinungsformen des Rechtspopulismus, der so nie genannt wird“. Er bemängelt, dass „Konsens und Konflikt“ nicht darauf hinweist, „dass antielitäre Positionen insbesondere von Angehörigen der Elite vorgetragen und befeuert werden“. Gleichzeitig werde den Nöten und Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern sehr viel Raum gegeben und diese würden „gegen die Ansprüche von Geflüchteten und Migrant*innen in Stellung gebracht“. Die Rede von Konfliktfähigkeit „schnurrt hier zusammen zu einer extrem mittellagigen Position, die die gestellte Zugehörigkeitsfrage implizit beantwortet und den einen Ansprüche und den anderen Sorten und Angst zuweist.“ Timo Versemann erkennt darin die Reproduktion eines „rechten Narrativs“.

Während Studienleiter Staffa in diesem Zusammenhang eine Vermeidung „der realen Macht- und Gewaltfrage“ ausmacht, vermisst Versemann Konkretionen. „Dem Papier fehlt der geforderte Mut, schwierige Themen selbst zu setzen.“ Gut getan hätte dem Text seiner Ansicht nach beispielsweise das Schlagwort Hartz IV. „Das könnte zum Beispiel die Kritik an einer Politik sein, die Bedürftige zu sanktionierbaren Kund*innen erklärt, deren soziale und ökonomische Zukunft ungewiss ist.“ Die Frage nach einer menschenwürdigen Existenzsicherung hätte die Lebenswelt der schon immer in Deutschland Lebenden und die Welt geflüchteter Menschen verbinden können. „Es muss uns darum gehen, den Konsens im Konflikt zu suchen, der die konkreten Hoffnungen und Sorgen aller Menschen aufnimmt.“

Grundlegend ist auch die Kritik von Heinz-Joachim Lohmann. Er sieht in dem EKD-Papier keinen „Beitrag der Kirchen für das  Funktionieren dieser Demokratie“ (S.10). Schon die im Vorwort geäußerte Grundannahme, dass die bisher vorhandenen Konflikte auf eine breite Mitte hin moderiert werden konnten (S.6), klingt für ihn „mehr nach Verdrängung als nach Lösung“. Auch rein inhaltlich sei diese Annahme falsch, weil sie die „Transformationsschmerzen der neunziger Jahre in den neuen Bundesländern“ nicht berücksichtige. „Deshalb stellt sich für mich die Frage, ob in den gegenwärtigen innerdeutschen Krisen nicht das Verdrängte mit Macht zurückkehrt und nach Benennung von Erwartungen und Hoffnungen verlangt.“

Der Text „Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung. Zehn Impulse der Kammer für Öffentlichen Verantwortung der EKD zu aktuellen Herausforderungen der Demokratie in Deutschland“ ist Grundlage des Abendforums „Weltoffen und standhaft. Kirche in Zeiten des Populismus“ am 2. Mai. Diskutieren werden dort der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und die Erzbischöfin der Kirche von Schweden, Antje Jackelén. Mehr zu dieser Veranstaltung finden Sie hier. Der EKD-Text steht hier (PDF-Dokument) zum Download bereit.

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