Adventsblog 06.12.2020

Gnade und Barmherzigkeit

06.12.2020 | ADVENT 2020 | Heinz-Joachim Lohmann

Nikoläuse 2020-12-06

© EAzB/A.Czekalla

Das Grau des Novembers wandelt sich in das Lichtermeer des Dezembers und straft die liturgische Festlegung Lüge, dass der Advent eine Bußzeit sei. Plätzchen und Stolle, Weihnachtsmärkte und Weihnachtsfeiern wandeln ihn in Vorweihnachtszeit, eine Zeit der fröhlichen Erwartung.

Kein anderes christliches Fest ist auch in der säkularisierten Welt so angenommen wie Weihnachten und der Weg dahin. Wenn an den Adventskalendern die ersten Türchen aufgehen, dann öffnet sich ein vierundzwanzigtägiger Weg aus Gerüchen und Musik, Kerzenlicht und Geselligkeit. Zum Ablauf gehört normalerweise, dass der Nikolaus heute die Häuser besucht, Schokolade und Obst verteilend. Kinder und Erwachsene proben Krippenspiele, Chöre das Weihnachtsoratorium.

2020 weht zum ersten Mal der kalte Hauch der Bußzeit durch die Straßen. Daheim leuchtet der Adventskranz, brennen die Kerzen und steht die Stolle auf dem Tisch. Der Gendarmenmarkt bleibt ohne Weihnachtsmarkt und im öffentlichen Raum brennt nur spärliche Beleuchtung.

Kirchengemeinden arbeiten an Krippenspielen - mit Abstand. Nur vereinzelt erklingt Musik in öffentlichen Aufführungsorten. Es gibt heftige Diskussionen um das, was an Heilig Abend möglich sein wird: Das kleine Modell mit unter hundert Personen und gedämpfter Musik in Kirchen oder das große Modell auf Plätzen mit teurer Absperrung und Veranstaltungstechnik, Musik und Gesang unter Masken. Da muss gerungen werden mit Gesundheitsamt und Ordnungsamt. Schnell stellt sich die Frage, ob Kirche Massenveranstaltungen organisieren darf, wenn andere nicht dürfen. Oder ob es verhältnismäßig ist, wenn der Gottesdienst ein Vielfältiges von dem kostet, was die Kollekte für Brot für die Welt erbringen wird.

Auf den Gemeindeleitungen liegt Druck: Der Wunsch, den Menschen entgegenzukommen, die Trost, ein bisschen Gemeinschaft und Gottes Wort in direkter Ansprache brauchen, ein Erwartungsdruck für gelungene Gottesdienste, die Angst, dass der Gottesdienst sich zum Massenausbreitungsereignis für den Virus wandelt und der Anspruch, dass der Aufwand an Menschen, Material und Geld in einem vertretbaren Rahmen bleiben muss.

Wenn sich heute das sechste Türchen am Adventskalender öffnet, der Nikolaus kommt und das erste Drittel der Adventszeit abgeschlossen ist, dann sollte uns der Gedanke leiten, dass Bußzeit und Vorweihnachtszeit getragen werden von Gnade und Barmherzigkeit. Barmherzigkeit auch mit denen, die schwere Entscheidungen zu treffen haben und Gnade mit uns allen, damit erlebbar wird, dass auch an diesem Weihnachten die Botschaft gilt: Das Licht leuchtet in der Finsternis.

Heinz-Joachim Lohmann ist Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche im ländlichen Raum an der Evangelischen Akademie zu Berlin.

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