Adventsblog 11.12.2020

Warten auf den Weihnachtsmann, warten auf Europa

11.12.2020 | ADVENT 2020 | Tamara Hahn

Glühweinbar im Lockdown 2020-12-11

© EAzB/A.Czekalla

Advent bedeutet Warten. Das Warten auf Christkind oder Weihnachtsmann lässt sich in normalen Jahren versüßen mit Glühwein und Lebkuchen auf dem Weihnachtsmarkt. Ein bisschen Jahrmarkt-Gefühl rings um die hübsch zurechtgemachten Buden sorgt dafür, dass auch die Kleinen und Junggebliebenen fröhlich lächeln und trotz der jahreszeitlich bedingten Dunkelheit mit den Lichterketten um die Wette strahlen.

In normalen Jahren.

Dieses Jahr ist nicht normal. Dieses Jahr zwingt uns zu warten. Wir warten auf den Impfstoff, auf das Ende der Reisewarnungen und Lockdowns, auf ein negatives Testergebnis. Wir warten auf die Wiederkehr des Gewohnten … Eigentlich schon das ganze Jahr.

Viele warten allein zu Hause. Macht zu, die Tür, und die Tore lieber nicht zu weit auf. Überall Risikogebiete und Infektionsgefahr. Allein vor dem Osterstrauß und allein vor dem Adventskranz.

Viele haben das Warten satt. Wir waren bereit zu warten, solang es nicht zu lange dauert. Aber es dauert. Lange.

Das Projekt Europa fing auch gut an. Jedes neue Mitglied der EU wurde gefeiert und willkommen geheißen und sollte sich rasch einfügen und anpassen. Sicher gab es Skeptiker*innen, aber die Vorteile sollten klar überwiegen. Nun hieß es abwarten, dass alles gut wird: Wohlstand, Freiheit, Gemeinschaft unter Gleichen… Gut, das würde schon eine Zeit dauern… Aber wie lange? Und wer hat etwas von teilen gesagt?

Auf das Warten im Advent folgt immer die Weihnacht. Alle Jahre wieder. Aber haben wir uns das Warten nicht längst abgewöhnt? Gleich nach Halloween muss man allüberall mit Weihnachtsliedern rechnen. Weihnachtsgebäck liegt schon seit Monaten in den Regalen der Supermärkte. Warum warten? Wir leben jetzt. Gott IST schon in die Welt gekommen. Europa IST schon vereinigt. Allein, die Auswirkungen sind nicht immer spürbar. Aber die Lebkuchen liegen doch schon lange im Regal. Worauf sollen wir warten? Und bedeutet Warten nicht Stagnation und Fremdbestimmung?

Warten bedeutet auch Stehenbleiben, Innehalten. Die Zeit des Advents – nach Ernte und Novemberstürmen – war einmal eine Zeit, in der das Leben heruntergefahren wurde. Die Tage werden noch kürzer und dunkler. Weihnachten ist das Licht am Horizont – der jährliche Impfstoff gegen den Winter-Blues. Warten heißt auch hoffen: Hoffen auf das Licht, das die Weihnacht uns verspricht. Das ist mehr als Weihnachtsgeschenke oder Christstollen. Auch Europa ist mehr als Wohlstand und sogar mehr als individuelle Freiheit. Europa ist Frieden und Gemeinschaft. Und darauf sollten wir nicht warten, dafür beten wir jetzt und das können wir einander heute schon schenken.

O, lass dein Licht auf Erden siegen, die Macht der Finsternis erliegen und lösch der Zwietracht Glimmen aus, / dass wir, die Völker und die Thronen, / vereint als Brüder (und Schwestern) wieder wohnen / in deines großen Vaters Haus. (EKG 14,6)

Gesegneten Advent!

Tamara Hahn ist Anglistin und seit vielen Jahren Studienleiterin für die Europäischen Bibeldialoge.

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