Adventsblog 12.12.2020

Advent ist Hoffnung

12.12.2020 | ADVENT 2020 | Dotschy Reinhardt

Lichterkette am Tannenbaum 2020-12-12

© EAzB/A.Czekalla

Was bedeutet es, wenn mein 1.-Advent-Facebook-Post über 130 Mal „geliked“ wird? Es kann bestimmt nicht an meiner besonderen Handfertigkeit liegen, denn so prachtvoll ist die Komposition aus ein, zwei Tannenzweigen, gespickt mit ein paar roten Beeren, zwischen denen eine Bienenwachs-Kerze herausragend leuchtet, nicht.

Die Adventszeit lädt wohl wirklich zur Besinnlichkeit ein. Breitet sich eine Sehnsucht nach Frieden aus, vor Gedanken und Zweifel, die nicht zur Ruhe kommen lassen? Das kann schon sein, wobei die Ängste und Hoffnungen wohl so unterschiedlich sind, wie die Menschen in ihren jeweiligen Lebensumständen.

Während sich die Privilegierten vom Konsumdruck der Vorweihnachtszeit gestresst fühlen, bangen andere um das Leben eines geliebten Menschen. Der Zweifel daran, ob ein Familienmitglied, eine Freundin oder ein Freund sich nächstes Jahr auch noch am Adventslicht oder einfach am „Zusammensein“ erfreuen darf - oder bereits nicht mehr im Kreis der Familie verweilt?

Andere fragen sich, ob Freund*innen und Angehörige in einem von Rassismus, Krieg, Angst und Hunger regierten Land genug Schutz und ausreichend zu essen haben.

Wieder andere haben es satt, Weihnachten und Silvester wieder einsam verbringen zu müssen. Und es gibt welche, die froh sind, dass dieses Jahr das große Familienfest ausfällt und lästige Verwandtschaft nicht an Heiligabend vor der Tür steht.

Mir fällt eine Adventsgeschichte von einem unbekannten Autor ein, die wir den Kindern jedes Jahr gerne erzählen:

Vier Kerzen brannten am Adventskranz. Es war still. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen. Die erste Kerze seufzte und sagte: „Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden, sie wollen mich nicht." Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz. Die zweite Kerze flackerte und flackerte und sagte: „Ich heiße Glauben. Auch ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne." Ein Luftzug wehte durch den Raum und die Kerze war aus. Leise und sehr traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort: „Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie liebhaben sollen." Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht. Dann kam ein Kind ins Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte: „Aber, aber, ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!" Und es fing an zu weinen. Da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: „Hab' keine Angst! Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden. Ich heiße Hoffnung." Mit einem Streichholz nahm das Kind ein Licht von der Kerze und zündete die anderen Kerzen wieder an.

Diese Geschichte bringt auf den Punkt, um was es eigentlich geht, und das nicht nur in der Adventszeit: Sich für das Gute und gegen das Schlechte in allen Lebensbereichen einzusetzen. Selbst wenn es ein Anlaufen gegen Windmühlen zu sein scheint und man als Einzelne und Einzelner oft machtlos ist angesichts existierender Gewaltstrukturen in Deutschland und weltweit.

Aus einer kleinen Flamme Hoffnung kann ein Feuermeer der Solidarität, Liebe und Gerechtigkeit werden: Dafür braucht es nur Leute, die diese kleine Flamme weitergeben.

Die Musikerin und Autorin Dotschy Reinhardt arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg. Sie ist Vorsitzende des Landesrates der Roma und Sinti Berlin-Brandenburg e.V. und Mitglied im Netzwerk Sinti, Roma und Kirchen.

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