Energie!
Sommerfest der Akademie mit thematischen Impulsen
Wie schaffen wir eine sozial gerechte Energiewende – und wer gibt der Gesellschaft den dazu nötigen Schub? Was gibt uns Energie auch in Krisenzeiten? Was hat Atem mit spiritueller Energie zu tun? Und wieviel poetische Energie steckt im Islam? Um Energie in allen Facetten ging es beim diesjährigen Sommerfest der Akademie.
Nach pandemiebedingter Pause konnten wir am 28. August endlich wieder zu einem großen Fest mit Gästen aus Religion, Kultur und Wissenschaft in den Garten der Evangelischen Bildungsstätte auf Schwanenwerder einladen. Neben persönlichen Begegnungen gab es dabei an vier Themenstationen Gelegenheit, sich dem Leitthema „Energie!“ auf ganz unterschiedliche Weise anzunähern.
Neue Energie und junge Zivilgesellschaft
Welche Ideen und welche Kraft kommen aus der jungen Zivilgesellschaft angesichts der aktuellen Energiekrise? Darüber sprach Studienleiterin Hannah Schilling mit dem Neuruppiner Klimaaktivisten Corvin Drößler von Fridays for Future Brandenburg und mit Fiona Paulus, der Vorsitzenden der Evangelischen Jugend im Rheinland. Für beide war klar: Ein massiver Ausbau regenerativer Energien hätte viel früher vorangetrieben werden müssen. Zugleich warnten sie, aus kurzfristigen Kompromissen für eine sichere Energieversorgung dürfe keine langfristige Rückkehr zu fossilen Energieträgern werden. Als Beispiele nannte Drößler den Bau von Flüssiggas-Terminals an den deutschen Küsten und die Erschließung von Ölfeldern im Senegal. Solche Entscheidungen hätten langfristige Konsequenzen, die sich nicht einfach wieder rückgängig machen ließen.
Beide trieb auch die Frage um, wie sich Menschen in Zeiten sich überlagernder Krisen politisch mobilisieren lassen. Selbst ein Generationenthema wie der Klimawandel werde schnell aus den Nachrichten verdrängt, wenn eine andere Krise wie der Ukraine-Krieg akut werde, beobachtete Paulus. Um dagegen anzukommen, seien Bündnisse und Vernetzung zum Beispiel mit Gewerkschaften, nachhaltigen Unternehmen und sozialen Bewegungen nötig. Auch müssten soziale und ökologische Fragen zusammen gedacht und gestaltet und nicht etwa gegeneinander ausgespielt werden, so Drößler – etwa, indem man in Brandenburg Beschäftigte von Ölraffinerien oder im Kohleabbau in das Gespräch über eine ökologische Transformation einbeziehe.
Körperlichkeit, Poesie und Islam
Um das Spannungsverhältnis zwischen religiöser und poetischer Energie ging es im Gespräch von Akademiedirektorin Friederike Krippner mit dem Politikwissenschaftler und Autor Ozan Zakariya Keskinkılıç. Dieser las erstmals öffentlich aus seinem gerade erschienenen Lyrik-Debüt Prinzenbad. Die Gedichte des Bandes kreisen unter anderem um Religiosität und Körperlichkeit – zwei Konzepte die oft als gegensätzlich verstanden werden. In der Kunst sei es möglich, Widersprüche zwischen Kategorien aufzulösen, betonte der Autor: „Ich bin gläubig, Muslim, spirituell, queer – aber es ist einseitig, bei diesen Kategorien zu bleiben.“
Es sei die „Idee der Wahrheit“, die Menschen fälschlich zwinge, sich zu entscheiden, wer oder was sie sind, sagte Keskinkılıç. „Aber warum soll ich mich entscheiden für einen Raum, ein Land, eine sexuelle Identität?“ Lyrik bilde neue Wahrheiten, könne Gleichzeitigkeiten und Ambiguitäten aushalten. „Ich möchte sein, ohne das, was ich bin, in klare Sprache übersetzen zu müssen.“ Seine Gedichte gingen jedoch über die bloße Formulierung von Identität hinaus, betonte der Autor: „Es geht um die Rückkehr zu Gott.“ Begegnung und Begehren stelle er nicht als Sünde dar; er erzähle sie nicht als Gegensätze zu Religiosität, sondern als „Göttlichkeit in der Zusammenkunft der Körper“.
Atmung und spirituelle Energie
Über den Atem als Quelle vitaler und spiritueller Energie in den Religionen sprach Projektreferentin Katharina von Kellenbach mit der Theologin und Biodynamikerin Antje Rüttgardt. „Die Atmung ist Leben. Aber der Atem gehört uns nicht – er wird gegeben“, sagte von Kellenbach. In der Schöpfungsgeschichte erschafft Gott den Menschen im Garten Eden aus Staub von der Erde und bläst ihm „den Odem des Lebens in die Nase“. Auch das Christentum, erklärte Rüttgardt, trenne nicht zwischen einem (sterblichen) Körper und einer (unsterblichen) Seele, wie das etwa der Philosoph Platon tat, sondern verstehe den Menschen ganzheitlich als ein „inkarnatorisches Beatmetwerden“: Im Johannesevangelium bläst Jesus die Jünger an, um ihnen den Heiligen Geist mitzugeben (Joh 21,20). Damit knüpft er an die Vorstellung der hebräischen ruach – der Geist-/Windkraft Gottes – an.
In der christlichen Tradition, so Rüttgardt, werde Gebet und Gesang zur spirituellen Atempraxis, mit der Christinnen und Christen die Kraft und Energie Gottes körperlich erfahren und erspüren könnten. Für die Teilnehmenden wurde das auch praktisch erlebbar: Sie lernten, durch die Fußsohlen zu atmen und sich der unterschiedlichen körperlichen, emotionalen und spirituellen Reaktionen bewusst zu werden, die verschiedene Atemübungen auslösen und möglich machen.
Eine „Koscher-Maschine“ und ein Konzert am See
Um ganz andere Fragen ging es an der vierten Programmstation: Was tun, wenn ein Schwein koscher werden will? Die „Koscher-Maschine“ macht diesen Traum möglich – zumindest beim Puppentheater bubales. Auf vergnügliche, für Groß und Klein leicht zugängliche Weise vermittelte die Theatermacherin Shlomit Tripp, was es mit milchigem und fleischigem Essen, blauem und rotem Geschirr in der koscheren Küche auf sich hat. Ihr jüdisches Puppentheater verstehen sie als einen spielerischen Weg, Brücken zu bauen und jüdische wie nichtjüdische Kinder in ihrer je eigenen Identität zu stärken.
Daneben gab es im weitläufigen Garten der Bildungsstätte für Kinder auch Gelegenheit, am Basteltisch kreativ zu werden. Zum Ausklang des Nachmittags spielte die türkische Sängerin und PIanistin Merve Akyıldız mit Musikern des Babylon Orchestra auf der Wiese am Havelufer Musik zwischen Jazz, Orient und Balkan. Mit einem Abendsegen entließen Christina-Maria Bammel, Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, und der stellvertretende Akademiedirektor Heinz-Joachim Lohmann die Gäste schließlich auf den Nachhauseweg.
Noch mehr Impressionen
Erschienen am 31.08.2022
Aktualisiert am 07.09.2022