Nolte zu Flüchtlingen

"Weitere Schritte sind nötig"

Interview mit Paul Nolte zur Flüchtlingssituation

© Andreas Schoelzel

Die Flüchtlinge, die in diesen Tagen Deutschland erreichen, „sind gekommen, um zu bleiben“, betont der Präsident der Akademie, Professor Dr. Paul Nolte. Viele der Schutzsuchenden würden auch ihre Familien nachholen wollen, so wie es auch bei der Zuwanderung aus der Türkei gewesen sei. „Wir sollten uns das klar machen und die Fehler, die damals gemacht wurden, nicht wiederholen“, sagte Nolte am 3. September im Interview mit dem NDR. Die Bundesrepublik sei auf diese große Herausforderung noch nicht eingestellt, meint der Historiker. Zwar gebe es an vielen Stellen eine Welle der Solidarität, die deutlich mache, dass ein entsprechender Prozess begonnen habe. Strukturell und institutionell sei man aber noch nicht auf diese Zuwanderung eingestellt. Nolte fordert strukturelle weitere Schritte: „Was kommt nach dem Asylbewerberheim, nach der Erstaufnahme?“ Wohnung, Bildung, Arbeitsmarkt – das sind seiner Ansicht nach die drei Bereiche, die angegangen werden müssen. Das, so macht Nolte deutlich, „wird auch uns, die Bürgerinnen und Bürger, etwas kosten“.

Ohne die Ankommenden zuförderst als wirtschaftliche Faktoren ansehen zu wollen, bezeichnet der Akademiepräsident die derzeitige Entwicklung „in vielerlei Hinsicht als Glücksfall“. Die Zuwanderung der Flüchtlinge beschere dem Land eine Stabilisierung der Bevölkerungszahlen, eine Verjüngung der Bevölkerung und damit auch Wachstumschancen. „Das wird ein wirtschaftlicher Vorteil für Deutschland sein“.

Ängste gegenüber Flüchtlingen seien durchaus ernst zu nehmen, unterstrich Nolte. „Sofern es sich um echte Ängste handelt“. Er ließ keinen Zweifel daran, dass die Anwendung von Gewalt zu ächten und strafrechtlich zu verfolgen sei. Dazu zählten auch Drohungen und Einschüchterungsversuche wie etwa ein Aufmarsch vor einem Asylbewerberheim. Wer echte Ängste habe, möge zum Rathaus marschieren, das Gespräch mit dem Bürgermeister oder Bundestagsabgeordneten suchen, forderte Nolte. „Ängste müssen sich auf einen Dialog einlassen“. Ressentiments und Gewaltbereitschaft seien dagegen klar auszugrenzen. Hier sei eine starke Zivilgesellschaft gefordert. „Denjenigen entschieden entgegenzutreten, die Hass und Gewalt gegen die bei uns ankommenden Menschen richten, ist ein Gebot der Menschenwürde und eines der Nächstenliebe“, hatte der Historiker auch in seiner Begrüßung beim Sommerfest der Akademie am 30. August betont. Der Flüchtlingszustrom sei insofern auch eine große Herausforderung für jeden Christen und jede Christin, aber auch eine Aufgabe für die evangelische Kirche, für ihre Diakonie ebenso wie für ihre gesellschaftspolitischen Positionen. „Unsere Akademie verfügt da über eine lange Tradition und eine hohe Kompetenz, wie sich jedes Jahr wieder bei dem Flüchtlingsschutz-Symposium in der Französischen Friedrichstadtkirche zeigt. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen.“

Die Begrüßungsrede zum Sommerfest lesen Sie hier (PDF-Dokument, 80.5 KB). Das Interview bei NDR-Info ist zu finden unter: http://www.ndr.de/info/Nolte-Fluechtlinge-bescheren-uns-Chancen,audio254986.html

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