epd Nolte raue Demokratie

Historiker Nolte: Gesellschaft erlebt Zeiten einer "rauen Demokratie"

© Andreas Schoelzel

Bochum (epd). Die Demokratie erlebt 70 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes nach Worten des Historikers Paul Nolte Zeiten einer "rauen Demokratie". Der Blogger Rezo mit seinem Youtube-Video vor den EU-Wahlen stehe für neue Formen des Protests, sagte der Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin am Mittwochabend in Bochum. Parlamentarische Rederegeln, wie sie früher üblich gewesen seien, hätten an Geltung verloren. Nolte sprach von einer "Zornpolitik", die sich ausbreite und von Politikern wie Trump befeuert werde. Mitunter trage Politik auch "clowneske Züge", sagte der Wissenschaftler und spielte auf "Die Partei" des Satirikers Martin Sonneborn und den italienischen Komiker Beppe Grillo mit seiner Fünf-Sterne-Partei ein.

Die Parteienlandschaft befindet sich laut Nolte im Umbruch. Die Volksparteien würden an Macht verlieren. Stattdessen erlebe man mit dem Erstarken von Populisten und Extremisten auf der einen und dem Entstehen neuer Klimaschutzbewegungen auf der anderen Seite eine irritierende Vielfalt politischer Richtungen. Zugleich erinnerte der Historiker am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin daran, dass Demokratie im 18. und 19. Jahrhundert aus Protest gegen Eliten und Obrigkeit entstanden sei. Ein von Institutionen und Regelwerken bestimmtes System habe sich später daraus entwickelt.

Als problematisch bezeichnete es Nolte, dass die deutsche Verfassung Formate von Bürgerbeteiligung zu wenig berücksichtige, die sich im Laufe der Jahrzehnte herausgebildet haben. Das Grundgesetz spreche im Wesentlichen von Wahlen, durch die die Bürger mitentscheiden könnten. Inzwischen seien beispielsweise Bürgerinitiativen zu einer wichtigen Größe geworden.

Der Wandel demokratischer Grundmuster steht laut Nolte im engen Zusammenhang mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Rolle von Institutionen wie Gewerkschaften und Kirche verändere sich, industrielle Großunternehmen seien immer seltener geworden. Auch die Emanzipation unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen müsse berücksichtigt werden.

30. Mai 2019

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