Warum ist das Private ein schützenswertes Gut? Warum achten wir strukturelle Trennlinien zwischen privaten und öffentlichen Bereichen? Warum gehört der Schutz der privaten Lebenssphäre zu unseren Grundrechten? Zwar lassen Fernsehsendungen wie „Big Brother“ Zweifel aufkommen, ob die Privatheit tatsächlich noch als Wert gilt. Doch werden andererseits immer wieder Befürchtungen laut, dass durch die neuen Sicherheitsstrategien oder generell durch neue informationstechnologische Entwicklungen die informationelle Privatheit permanent verletzt wird.
Den terroristischen Bedrohungen versuchen Sicherheitspolitiker mit immer intensiverer und verfeinerter Datenerfassung und Beobachtung von Bürgerinnen und Bürgern zu begegnen.
Um gegen Terrorismus und andere Formen besonders schwerer Kriminalität wirksam ermitteln zu können, dürfen auch private Wohnräume abgehört werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit dem Urteil vom März 2004 die akustische Wohnraumüberwachung im Grundsatz für verfassungsgemäß erklärt, zugleich aber gefordert, dass im Gesetz Durchführungsvoraussetzungen aufgeführt werden, die eine Vielzahl rechtsstaatlicher Sicherungsinstrumente enthalten. Die Verfassung garantiert zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber ein absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, wenn es sich um die individuelle Entfaltung im „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ handelt.
Wie lässt sich nun in der Praxis ein solch sorgfältiger und kritischer Umgang mit der akustischen Wohnraumüberwachung gewährleisten? Wie wirksam sind die datenschutzrechtlichen Schranken, wie werden sie kontrolliert? Gibt es unklare Auslegungsspielräume? Lassen sich in Zukunft die Datenfluten angesichts zunehmender Informationsvernetzung im europäischen Raum überhaupt noch wirksam kontrollieren? Woher leitet sich der Wert der Privatheit ab und warum muss die Privatsphäre grundsätzlich geschützt werden?
Wir wollen auf dieser Tagung die Erfahrungen mit der Anwendung des novellierten Gesetzes zur akustischen Wohnraumüberwachung in den Blick nehmen und unter anderem fragen, in welchem Verhältnis die Ermittlungserfolge zum Eingriff in die Privatsphäre stehen. Darüber hinaus soll darüber diskutiert werden, welches die Grundlagen des Rechts auf Privatheit sind, welche Dimensionen dieses Recht in der heutigen Informationsgesellschaft umfasst und wie die neuen Herausforderungen aussehen, denen sich die politischen Entscheidungsträger im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung der Informationstechnologien und der Informationserhebungen zu stellen haben.
Ulrike Poppe
Evangelische Akademie zu Berlin
14.00 Uhr Begrüßung und Einführung in die Tagung
Ulrike Poppe, Studienleiterin, Ev. Akademie zu Berlin
14.15 Uhr Warum ist das Private schützenswert?
Über die normativen Grundlagen des Privaten
Prof. Dr. Beate Rössler, Philosophin, Universität Amsterdam
15.15 Uhr Pause
15.30 Uhr Privatheit und Menschenwürde
Was heißt: Anerkennung eines absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensführung?
Sebastian Müller, Jurist, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Institut für Menschenrechte, Berlin
16.15 Uhr Kaffeepause
16.45 Uhr Überwachungsmaßnahmen auf dem Prüfstand
Beurteilungen aus der Sicht der Polizei und des Datenschutzes
Bernd Carstensen, Stellv. Vorsitzender und Pressesprecher des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Kiel
Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Jurist, TU-Berlin, Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz, Berlin
Moderation:
Dr. Christoph Bruch, Politikwissenschaftler, Mitglied des Vorstandes der Humanistischen Union
18.15 Uhr Grundrechtsgefährdungen durch erweiterte Datenerfassung
Zusammenfassung und Ausblick
Jerzy Montag, MdB
Ende gegen 19.00 Uhr