Zum fünften Mal findet vom 18.-21. April 2007 das ost-westeuropäische Gedenkstättenseminar in Krzyżowa (Kreisau) statt, das ein Forum für Pädagogen, Gedenkstättenmitarbeiter und Wissenschaftler aus Ost- und Westeuropa bietet, sich vergleichend über ihre Arbeit auszutauschen.
Seit der Überwindung der kommunistischen Diktaturen gibt es in Osteuropa vielfältige geschichtspolitische Kontroversen, die ihre Ursprünge in einer gemeinsamen, jedoch gegensätzlich interpretierten Vergangenheit haben. Sie resultieren zudem aus einem unterschiedlichen Verständnis des Diktaturvergleichs in West- und Osteuropa. Erinnert sei an dieser Stelle nur an den entrüsteten Auszug des Vize-Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Salomon Korn aus einer Veranstaltung der Leipziger Buchmesse 2004, als die ehemalige lettische Außenministerin Sandra Kalniete aus seiner Sicht Stalinismus und Nationalsozialismus gleichgesetzt hatte.
Diese einander teilweise ausschließenden Interpretationen der Vergangenheit und die aus ihnen entstehenden geschichtspolitischen Konflikte bilden den inhaltlichen Schwerpunkt der diesjährigen Tagung. Vor diesem Hintergrund sollen die Erfahrungen in Museen, Gedenkstätten und anderen Einrichtungen diskutiert werden. Wie wird beispielsweise mit Irritationen umgegangen, die dadurch entstehen, dass Ausstellungen zumeist durch nationale Deutungsmuster geprägt sind, jedoch von einem internationalen Publikum besucht werden? Wir fragen, welche Akteure diese Auseinandersetzungen auf welche Weise führen und wie sie von »außen« wahrgenommen und bewertet werden. Am Beispiel von geschichtspolitischen Kontroversen in Ungarn, Polen und Russland wollen wir gemeinsam der Frage nachgehen, mit welchen Argumenten und welchen Mitteln diese Deutungskonflikte ausgetragen werden, welche Rolle totalitarismustheoretische Konzepte spielen, wie über die konkrete Verantwortung für vergangene Verbrechen und über die Gestaltung der Zukunft debattiert wird. Dabei wird es zum einen um länderspezifische Unterschiede und um Gemeinsamkeiten innerhalb dieser Debatten gehen. Nicht zuletzt ist das Seminar ein Forum für Institutionen aus verschiedenen Ländern, um ihre Konzepte zur Vermittlung von Geschichte, Geschichtsbildern und pädagogischen Zielen vorzustellen. Dabei werden inhaltliche und konzeptionelle Probleme sowie Schwierigkeiten in der politisch-historischen Bildungsarbeit beleuchtet. Auch in diesem Jahr wird erneut der Frage nachzugehen sein, wie die Geschichte und die komplexen gesellschaftlichen Transformationsprozesse seit 1990 an die nachgeborenen Generationen angemessen zu vermitteln sind.
Wir laden herzlich ein, im Anschluss an das Seminar vom 21. auf den 22. April an den Feierlichkeiten der Stiftung Kreisau aus Anlass des 100. Geburtstages von Helmuth James von Moltke in Breslau/Wrocław teil zu nehmen. Nähere Informationen finden Sie in der Programmübersicht.
Bernd Florath
Annemarie Franke
Andrea Genest
Anne Kaminsky
Ludwig Mehlhorn
Wir danken der Gedenkstätte Deutscher Widerstand für die Förderung des Seminars.
Mittwoch, 18. April 2007
nachmittags ab 17.00
Anreise - Zimmerbelegung
Kaffee
fakultativ: Rundgang durch die Begegnungs- und Gedenkstätte Krzyżowa (Kreisau)
18.30–19.00 Abendessen
19.30 Einführung in das Programm durch die Veranstalter, Vorstellungsrunde
anschließend
geselliger Abend zum Kennenlernen und Austauschen
Donnerstag, 19. April 2007
Unterschiedliche Wahrnehmung der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts in Europa
9.00 Uhr Einführungsreferat: Svetlana Kul-Selwestrowa (Universität Grodno)
DIA-Vortrag: Inhaltliche Schwerpunkte und geschichtspolitische Botschaften bei der Darstellung des Kommunismus und kommunistischer Verbrechen in den USA, West- und Osteuropa
Dr. Anne Kaminsky (Berlin)
Diskussion
Moderation: Dr. Bernd Florath
10.30 Uhr Kaffeepause
11.00 – 11.45 Uhr Zwei Diktaturerfahrungen in einer Ausstellung
Beispiele aus Mitteleuropa
Ausstellungskonzept Haus des Terrors (Budapest)
Ausstellung „Das Antlitz des Totalitarismus“ im Haus der Geschichte (Warschau)
Vorstellung durch:
Zuzanna Bogumił (Warschau)
Áron Máthé (Budapest)
12.00 – 13.30 Uhr Diskussion
Moderation: Dr. Andrea Genest
13.30–15.00 Mittagspause
15.00 Uhr Reaktionen auf das Gedenken an den GULAG in der ehemaligen Sowjetunion
Perm 36
Filmvorführung: Freiwillig in Stalins Gulag. Junge Deutsche restaurieren ein russisches Straflager. Eine Reportage von Georg Restle u. Andreas Maus (WDR)
15.30 Diskussion mit Regisseur und Vertretern von Memorial Perm
Moderation: Dr. Anne Kaminsky
18.00 Abendessen
19.30 Uhr Tomasz Kizny (Wrocław/Berlin) – Bild und Gedächtnis
Fotographische Dokumente des GULAG-Systems.
Moderation: Ludwig Mehlhorn
Freitag, 20. April 2007
Projektteil Forum historisch-politischer Bildungsarbeit
9. 00 – 10.30 Uhr Projektvorstellung: Pawel Mrosov Museum – Memorial Jekaterinburg
Anna Pastukhova und Yuri Kalmykov
10.30 Kaffeepause
11.00 –11.45 Projektvorstellung: Die Ausstellung "Vernichtung der polnischen Eliten. Die Aktion AB - Katyn" und Bildungsarbeit zum Thema
Paweł Rokicki, Co-Autor
Moderation: Leszek Rysak, IPN Warschau
12.00 – 13.00 Uhr The Cold History War Project – Werkstattbericht
Keith Allen, Berlin und Washington
13.00–14.30 Uhr Mittagspause
14.30 Uhr Tourismus vs. Erinnerungsort. Der Komplex „Riese“ im Eulengebirge.
Einführung und Präsentation eines internationalen Projekts zum Thema
Mariusz Zajączkowski (Lublin) und Ulrike Ernst (Saarbrücken)
15.30 Uhr Exkursion - Besichtigung der Stollen im Eulengebirge
Führung durch Mitarbeiter vor Ort
19.00 Uhr Gemeinsames Abendessen im Restaurant im Eulengebirge
Samstag, 21. April 2007
9.00 Uhr Auswertungsrunde und Ideen für ein nächstes Mal
ab 11.00 Uhr Ende des Seminars
Angebot zur Teilnahme an den Feierlichkeiten aus Anlass des 100. Geburtstages von Helmuth James von Moltke in Breslau/Wrocław
18.00 Uhr Ökumenischer Gottesdienst in der Ev.-Augsburgischen Hofkirche in Breslau mit Chorkonzert
Bischof Ryszard Bogusz (Diezöse Wroclaw) und Pfarrer Axel Luther, Berlin
20.00 Uhr Abendempfang im Gemeindehaus der Ev.-Augsburgischen Kirche
Sonntag, 22. April 2007
10.00 Uhr Hl. Messe in der Garnisonskirche St. Elisabeth
parallel
Angebot für Gäste aus Deutschland: geführter Stadtrundgang über den Rynek-Marktplatz und zur Universität
11.30 Uhr Platz vor der Garnisonskirche St. Elisabeth
Eröffnung der Ausstellung zum Jubiläum in Anwesenheit der Schirmherren Rafal Dutkiewicz, Bürgermeister der Stadt Breslau und Dr. Schoeps, Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Breslau
anschließend
Empfang im Hotel Art (50m zu Fuß)
12.30-14.30 Uhr Diskussionsrunde „Helmuth James von Moltke in Niederschlesien.“
Prof. Karol Jonca, Universität Wroclaw:
Moltke und sein Engagement in der „Löwenberger Arbeitsgemeinschaft“ und in der Region Waldenburg
Prof. Tereza Kulak:
Moltke als Student an der Breslauer Fakultät für Rechtswissenschaften
Ludwig Mehlhorn:
Konfessionelle und religiöse Prägungen des jungen Moltke
Moderation: Dr. Krzysztof Ruchniewicz, Willy Brandt Zentrum an der Universität Wroclaw
15.00 Uhr Mittagsimbiß