Konzept zum Schutz vor grenzverletzendem Verhalten und sexualisierter Gewalt der Evangelischen Akademie zu Berlin gGmbH
1. Geltungsbereich
Dieses EAzB-Schutzkonzept gilt für alle Gremien und Veranstaltungen, die von der EAzB veranstaltet werden. Die Schutzkonzepte der landeskirchlichen Einrichtungen (AKD) verstehen wir als Ergänzung und Unterstützung.
2. Begriffsklärung und Definition sexualisierte Gewalt
Eine Verhaltensweise ist sexualisierte Gewalt, „wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Sexualisierte Gewalt kann verbal, nonverbal, durch Aufforderung oder durch Tätlichkeiten geschehen“ (§2 Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, EKBO). Wir unterscheiden drei Dimensionen sexualisierter Gewalt:
Grenzverletzungen
Sexuelle Übergriffe
Strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt
a) Grenzverletzungen
Sexuelle Grenzverletzungen treten gelegentlich auf, geschehen meist unabsichtlich und können als fachliche oder persönliche Verfehlung der ausführenden Person charakterisiert werden. Sie können auch Teil einer Täter*innen-Strategie sein.
Beispiele: nicht gewollte Umarmungen, die unbedachte Verwendung von Kosenamen („Süßer“, „Schätzchen“), obszöne Blicke beim Vorübergehen, anzügliche Witze mit diskriminierenden oder sexistischen Inhalten oder das unerwünschte Betreten von Zimmern…
b) Sexuelle Übergriffe
Sexuelle Übergriffe geschehen nicht zufällig und unabsichtlich, sondern sind sexuell motiviert und werden gezielt ausgeübt. Die übergriffige Person missachtet bewusst Regeln und fachliche Standards im Umgang mit anderen Menschen. Sie nutzt die eigene Überlegenheit, oft ihres Amtes oder ihrer Funktion, um Widerstände des Opfers zu übergehen. Sexuelle Übergriffe können in einigen Fällen als strategisches Vorgehen zur Vorbereitung strafrechtlicher Formen sexualisierter Gewalt gedeutet werden.
Beispiele: scheinbar unbeabsichtigte Berührungen werden wiederholt vollzogen, Äußerung gezielt sexistischer Bemerkungen, erotische Produkte werden ungefragt und ungewollt jemandem vorgezeigt…
c) Strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt
Strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt sind im Strafgesetzbuch (StGB) als Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung aufgeführt. Zu ihnen gehören Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger, Sexueller Missbrauch von Jugendlichen, Verbreitung pornografischer Schriften, Sexuelle Belästigung u.a. Die wesentlichen Rechtsnormen und ihre Bedeutung sind in der Anlage am Ende des Konzeptes zusammengestellt.
Die beschriebenen Formen sind nicht immer klar voneinander abgrenzbar. Jede Situation sexualisierter Gewalt muss als Einzelfall betrachtet und sorgfältig von qualifizierten Ansprechpartner*innen geprüft, bewertet und eingeordnet werden.
3. Der Verhaltenskodex
Der Verhaltenskodex ist das Herzstück der Prävention sexualisierter Gewalt in der EKBO. Es ist wichtig, dass alle – Mitarbeitende und Teilnehmer*innen an unseren Veranstaltungen- von ihm erfahren. Ehrenamtliche wie berufliche Mitarbeiter*innen sollen ihn bekannt machen, selbst zu den Verhaltensregeln geschult werden und dazu beitragen, dass andere zum Verhaltenskodex geschult werden. Die Leitsätze sind dazu da,
- dass wir uns verständigen, wie wir miteinander umgehen wollen,
- dass wir festlegen, welche Regeln gelten sollen,
- dass wir uns informieren, wenn wir denken, dass wir uns in einer bestimmten Situation entgegen einer Vorgabe des Verhaltenskodex verhalten müssen oder verhalten haben
- dass wir uns gegenseitig Feedback auf Grundlage des Verhaltenskodex geben.
Kinder, Jugendliche und Erwachsene schützen
Ich will die mir anvertrauten Menschen vor Schaden, Gefahren, Missbrauch und Gewalt schützen.
Mit Nähe und Distanz umgehen
Ich weiß um die sexuelle Dimension von Beziehungen, nehme sie bewusst wahr und gehe verantwortungsvoll mit Nähe und Distanz um. Ich achte individuelle Grenzempfindungen und verteidige sie.
Die Rolle als Verantwortliche*r nicht ausnutzen
Ich gehe als Mitarbeiter*in keine sexuellen Kontakte zu mir anvertrauten Menschen ein.
Intimsphäre respektieren
Ich respektiere die Intimsphäre und die persönlichen Grenzen der Scham von Gruppenmitgliedern, Teilnehmenden und Mitarbeitenden.
Stellung beziehen
Ich beziehe gegen sexistisches, diskriminierendes und gewalttätiges Verhalten sowie gegen sexualisierte Sprache und verbale Gewalt aktiv Stellung.
Grenzen wahrnehmen und akzeptieren
Ich nehme die Überschreitung von persönlichen Grenzen wahr, schreite ein und vertusche Grenzverletzungen nicht.
Abwertendes Verhalten abwehren
Ich verzichte auf abwertendes Verhalten gegenüber teilnehmenden und mitarbeitenden Personen auf allen Veranstaltungen und achte auch darauf, dass andere respektvoll miteinander umgehen.
Transparenz herstellen
Situationen, in denen ich mit anderen Menschen alleine bin, mache ich transparent. Ich halte die arbeitsfeldspezifischen Standards ein und beachte die Bedürfnisse der/des anderen.
(Veröffentlicht im Kirchlichen Amtsblatt der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am 20. Juli 2022)
4. Ansprechpersonen
Für jede Veranstaltung muss geklärt werden, welche Person oder welches Team vor Ort die Verantwortung (verantwortliche Person/en) hat. Diese Person muss zum Schutzkonzept, seiner Anwendung und zum Basiswissen Prävention grenzverletzendes Verhalten und sexualisierte Gewalt geschult sein. Außerdem ist es ihre Aufgabe sich an die meldebeauftrage Person der EAzB zu wenden
- in allen Fällen von (vermuteter) sexualisierter Gewalt (Grenzverletzungen, sexuelle Übergriffe, strafrechtlich relevante Formen) zu beraten,
- die Anwendung der Interventionspläne sicherzustellen und
- die Meldepflicht zur Beauftragten für den Umgang für sexualisierter Gewalt der EKBO vorzunehmen.
Die unabhängige externe Beraterin der EKBO, Chris Lange, kann zu ihren Sprechzeiten auf einem anonym geschalteten Telefon angerufen werden. Sie hört zu, sie wertet nicht, was der*die Anrufer*in sagt. Sie informiert. Beispielsweise kennt sie alle kreiskirchlichen Ansprechpersonen für die Prävention sexualisierter Gewalt und auch in den Einrichtungen und Verbänden. Sie kann erzählen, wie die Abläufe sind, wenn sich eine betroffene Person selbst oder eine Person, die sexualisierte Gewalt innerhalb unserer Landeskirche vermutet, meldet und wie damit umgegangen wird. Sie weiß, welche Beratungsangebote es speziell für Kinder und Jugendliche und auch für Ältere in Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz gibt. Sie kennt auch verschiedene anonyme digitale und telefonische Hilfsangebote.
5. Intervention – Wie und durch wen wird gehandelt, wenn sexualisierte Gewalt geschehen ist oder vermutet wird?
Wir wollen hinschauen, helfen und handeln. Die Interventionspläne geben allen Beteiligten Sicherheit. Durch die Handlungspläne werden wir angeleitet, alle Beteiligten im Blick zu behalten. Es geht darum, auf der einen Seite transparent und neutral nach den vorgegebenen Plänen zu handeln und auf der anderen Seite professionell alle Beteiligten zu schützen, damit der Vorfall nicht noch größere Wunden reißt.
5.1 Interventionspläne
Der Plan für alle – erste Anlaufstelle sein
Der „Handlungsleitfaden Mitteilung“ mit Dos und Don`ts und anderen Tipps für ein erstes Gespräch befindet sich in der Anlage.
- Wir hören zu.
- Wir erzählen, dass wir uns an unsere Ansprechperson wenden wollen und müssen.
- Wir fragen, ob die betroffene Person dabei sein möchte und ob wir Kontaktdaten weitergeben dürfen.
- Wir schreiben im Nachgang anhand der WFragen auf, was uns erzählt wurde, bestenfalls wortwörtlich.
- Wir kontaktieren die für die Veranstaltung verantwortliche Person vor Ort oder die
- institutionelle Ansprechperson der EAzB sofort oder in der Folgewoche. Zu zweit werden die nächsten Schritte besprochen und auch geklärt, wann und durch wen die mitteilende Person eine erste Rückmeldung erhält.
Die EKBO hat zusätzlich allgemeingültige Interventionspläne, mit deren Anwendung die Ansprechperson der EAzB vertraut ist. Diese wenden wir in der EAzB an:
- Kommunikationsplan für alle – Handlungsleitfaden Mitteilung (siehe oben und Anlage)
- Handlungsplan bei vermuteter Grenzverletzung (siehe Anlage)
- Handlungs und Notfallplan vermutetem sexuellen Übergriff (siehe Anlage)
- Notfallplan bei vermuteter strafrechtlich relevanter sexualisierter Gewalt (siehe Anlage)
- Handlungsplan, wenn eine Kindeswohlgefährdung vermutet wird.
Während der Veranstaltung handeln wir nach den dargestellten Plänen.
5.2 Das Krisenteam der EAzB
Wird ein sexueller Übergriff oder strafrechtlich relevante sexualisierte Gewalt vermutet, muss das Krisenteam der EAzB einberufen werden. Seine Aufgabe ist es, sensibel und klar die Arbeit nach fachlichen Standards zu gewährleisten und alle Betroffenen und unmittelbar und mittelbar betroffenen Personen im Blick zu haben. Zudem sorgt das Krisenteam für die Nachsorge und die Aufarbeitung des Geschehens. Es klärt Konsequenzen für eine mögliche Überarbeitung dieses Schutzkonzeptes und für die Präventionsarbeit.
Zum Krisenteam der EAzB gehören folgende Funktionsträger*innen
- Die verantwortliche Person für das Gremium, das Projekt, die Gruppe oder die Veranstaltung
- Die institutionelle Ansprechperson der EAzB für die Prävention sexualisierter Gewalt
Hinzugezogen werden je nach Situation (beratend oder ständig)
- Der*Die Direktor*in der EAzB
- Die Insofern erfahrene Fachkraft für den Kinderschutz (IseF)
- Die landeskirchlich beauftragte Person der EKBO
- Der*/Die personalverantwortliche Person oder zuständige Person in Bezug auf den*die vermutete*n Verursacher*in
- Eine in der öffentlichen Kommunikation versierte Person
- andere Personen, die in dem speziellen Fall einen Beitrag leisten können.
6. Personalverantwortung / Verantwortung für Ehrenamtliche wahrnehmen
6.1 Auswahl von beruflich Mitarbeitenden auf allen Ebenen der EAzB
Die Auswahl beruflicher Mitarbeiter*innen der EAzB auf allen Ebenen sollte besonders sorgsam geschehen und den Schutz vor sexualisierter Gewalt berücksichtigen und thematisieren.
- Ggf. Teilnahme an Schulungen und Fortbildungen
- Unterzeichnen der Selbstverpflichtungserklärung
- Führungszeugnis
6.2 Einsichtnahme in erweiterte Führungszeugnisse von Mitarbeiter*innen in der Geschäftsstelle und in den Gremien/Projekten der EAzB
Grundsätzlich gilt:
Menschen, die eine Straftat gemäß §72a SGBVIII begangen haben, dürfen nicht in unserer Kirche tätig sein. Insbesondere in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen muss die Tätigkeit sofort enden, wenn im Führungszeugnis ein entsprechender Eintrag gesehen wird, bzw. zum Schutz aller Beteiligten ruhen, wenn vermutet wird, dass ein*e Mitarbeiter*in Verursacher*in einer strafrechtlich relevanten Form der sexualisierten Gewalt sein könnte (§5 Einstellungs- und Tätigkeitsausschluss, Kirchengesetz der EKBO).
Ehrenamtliche und Honorarkräfte
Der*Die Personalverantwortliche sorgt für die Einsichtnahme in die erweiterten Führungszeugnisse gemäß §72a SGBVIII in Verbindung mit § 30a Bundeszentralregistergesetz bzw. dem Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt der EKBO zu Beginn der Tätigkeit und alle 3 Jahre.
Jede*r der*die tätig wird und kurzfristig oder aus anderen Gründen kein erweitertes Führungszeugnis vorlegen kann, erhält den Verhaltenskodex vorgelegt und muss die Selbstverpflichtungserklärung der EAzB unterschreiben. Hier versichert die Person, dass sie sich an die Maßstäbe des Verhaltenskodex halten wird und dass keine Straftat im Sinne des §72a SGBVIII verübt oder durch Ermittlungsbehörden verfolgt wurde oder wird.
7. Prävention
Prävention meint die Vermeidung von sexualisierter Gewalt und Maßnahmen, die dieses befördern. Grundlage einer erfolgreichen Prävention ist die Risikoanalyse.
7.1 Potential- und Risikoanalyse
In regelmäßigen Abständen von jeweils 3 Jahren und nach Bedarf auch früher überarbeiten wir die Analyse sowie zu jeder größeren Veranstaltung. Die Hauptfragestellungen sind:
- Gelegenheiten Wer trifft wo, wann, wie lange auf wen und welche Situationen können leicht ausgenutzt werden?
- Räumliche Situation Welche räumlichen Bedingungen können es Täter*innen leicht machen?
- Entscheidungsstrukturen Für welche Entscheidungen gibt es im Team klare und transparente Entscheidungswege und wie ließen sich offizielle Regeln und Entscheidungswege umgehen? Wo fehlen Regelungen?
- Ehrenamtliche Wie kann man dazugehören? Gibt es Voraussetzungen? Welche Verantwortung trägt man? Wo bestehen Autoritätsverhältnisse?
- Berufliche Mitarbeiter*innen Welche Regeln gelten für diese? Wofür tragen Sie die Verantwortung? Wie könnten sie ihre berufliche Stellung ausnutzen?
- Welche weiteren Risiken bestehen?
- Auswertung und Konsequenzen Welche Maßnahme verabreden wir? Wer ist dafür verantwortlich? Wie wird dies in der Praxis umgesetzt?
7.2 Prävention konkret bei uns
Auf die folgenden Punkte wollen wir verstärkt achten, um Risiken zu minimieren:
- Struktur und Organisatorisches: Anreise, Räume, Pausen
- Zusammensetzung: Ehrenamtliche, Berufliche, Teilnehmende
- Kommunikationsstrategien digital: Zugänge zu ZOOM u.a.
- Sanitäre Anlagen, Schlafsituation
- Räume, wer hat welche Zugänge/Schlüssel, Orte, die (un)sicher erscheinen
Maßnahmen, die sich aus den Risikoanalysen ergeben:
- Wir informieren über unseren Verhaltenskodex bei Veranstaltungen und teilen mit, wer Ansprechpersonen sind.
Erschienen am 22.09.2025
Aktualisiert am 22.09.2025