Ein Zauber, der nie vergeht

Ein Zauber, der nie vergeht

Adventsblog „Geburt und Anfang“ │ Martin Dutzmann

© David-W- / photocase.de

Weihnachten und Schöpfung - Geburt und Anfang - sind in der christlichen Tradition eng mit der Symbolik des Lichts verbunden. Auch auf den Fotos zu unserem Adventsblog steht das Licht im Mittelpunkt.

Nach jahrelangem Umbau ist die Französische Friedrichstadtkirche auf dem Gendarmenmarkt feierlich wiedereröffnet worden. Doch die Corona-Pandemie trübt die Aufbruchstimmung – eine Erinnerung, wie schnell der Zauber des Anfangs oft verfliegt. Ganz anders der Zauber des Advents, schreibt der EKD-Bevollmächtigte Martin Dutzmann.

Heute vor einer Woche: Es ist der 1. Sonntag im Advent. Ein neues Kirchenjahr beginnt. Zugleich wird in der Geschichte der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt, die unserem Dienstgebäude gegenüber liegt, ein neues Kapitel aufgeschlagen: Nach langer Umbauzeit kann dort endlich wieder Gottesdienst gefeiert werden. Es ist viel geschehen: Die Beleuchtung des Raumes ist erneuert, sodass die Gemeinde besser im Gesangbuch oder im Gottesdienstprogramm lesen kann. Eine moderne Verstärkeranlage hilft, dem gesprochenen Wort besser zu folgen. Der ursprüngliche Fußboden mit seinen schönen Fliesen ist freigelegt. Und schließlich macht es ein Durchbruch möglich, dass man, ohne das Gebäude zu verlassen, in die Unterkirche gelangt – und zu den Toiletten.

Am 1. Advent herrscht bei strahlendem Wetter Aufbruchstimmung in der „neuen alten“ Kirche: Der Bischof predigt, ein Chor singt Adventliches, zum Abschluss erklingt Händels „Halleluja“ von der Orgel. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, dichtet Hermann Hesse. An diesem Morgen ist das überdeutlich zu spüren.

Es ist Montag nach dem 1. Advent. Vom Büro aus schweift mein Blick hinüber zur Friedrichstadtkirche. Heute regnet es. Ich betrachte die alte Inschrift über dem Eingang: „Gott zur Ehre und der Gemeinde zum Segen. Unter dem Schutze der Hohenzollern erbaut 1705, erneut 1905.“ Kurz frage ich mich, ob nun nicht auch die Jahreszahl 2021 dort zu sehen sein müsste. Aber dann fällt mir ein, dass die weit umfassendere Erneuerung, die 1987 im Zuge der Neugestaltung des Platzes der Akademie (heute wieder: Gendarmenmarkt) abgeschlossen wurde, auch nicht genannt ist. Und noch etwas kommt mir in den Sinn: Die „Erneuung“ von 1905 hat keine 40 Jahre gehalten: 1944 wurde die Kirche völlig zerstört.

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, das habe ich am Sonntag bei Gottesdienst und Festakt deutlich empfunden. Am Montag wird mir einmal mehr bewusst, wie schnell der Zauber des Anfangs auch wieder verfliegt. Verstärkt wird dieser Gedanke, als mein Blick auf die Leuchtschrift „Adventszauber“ fällt, die Arbeiter zehn Tage zuvor am Eingang zum Weihnachtsmarkt unmittelbar neben der Kirche angebracht haben. Da war die Hoffnung auf eine einigermaßen normale Adventszeit mit Glühwein und Gebäck im Freien noch lebendig. Inzwischen sind die Zahlen der Corona-Neuinfektionen in die Höhe geschnellt, und man muss bangen, ob dem hoffnungsvollen Anfang ein jähes Ende folgt. Ja, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, aber der ist meist von kurzer Dauer. Wir alle haben diese Erfahrung schon oft gemacht.

Doch ich will nicht trübsinnig werden. Ich habe auch keinen Grund dazu. Es ist ja Advent! Advent bedeutet zweierlei: Zum einen bereitet er uns auf Weihnachten und die unerhörte Botschaft vor: Gott ist Mensch geworden, ist als Kind im Stall von Bethlehem zur Welt gekommen. Weil das eigentlich unfassbar ist, haben die Alten dem Weihnachtsfest eine vierwöchige Buß- und Fastenzeit als Vorbereitungszeit vorangestellt, den Advent eben. Dessen Zauber ergreift mich jedes Jahr aufs Neue.

Zum andern – das tritt hinter Weihnachtsliedern und -märkten meist zurück – erinnert der Advent daran, dass Gott in der Gestalt Jesu Christi wiederkommen wird. Dann wird alles Leid, ja selbst der Tod ein Ende haben. Ein Lied aus unserem Gesangbuch findet dafür diese Worte: „Welch ein Geheimnis wird an uns geschehn! Leid und Geschrei und Schmerz muss dann vergehn, wenn wir von Angesicht dich werden sehn. Halleluja, Halleluja!“ (EG 154, 3) Was für eine Perspektive in dieser schweren Zeit!

Der Advent, den wir jedes Jahr begehen, und der Advent Jesu Christi am Ende der Zeit: Mich darauf zu besinnen, macht mir Mut und baut mich auf. Der Zauber unserer Anfänge – sei es der Neuanfang in einer renovierten Kirche, sei es ein Neustart im persönlichen oder gesellschaftlichen Leben – verblasst. Das mag uns wehmütig stimmen, ist aber kein Grund zu verzweifeln. Denn dass Gott gekommen ist und wiederkommt, ist ein Zauber, der nicht vergeht.


Prälat Dr. Martin Dutzmann ist Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Er gehört der Gesellschafterversammlung der Evangelischen Akademie zu Berlin an.

Geburt und Anfang. Ein Adventsblog

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