"Ein Versuch, mit diesem Antisemitismus umzugehen"

„Ein Versuch, mit diesem Antisemitismus umzugehen“

Christian Staffa zum Wittenberger „Kirchensau“-Beschluss

© gemeinfrei (CC0 1.0 / https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de)

Der „Reformationsaltar“ von Lucas Cranach dem Älteren in der Stadtkirche zu Wittenberg

Das Online-Magazin Die Eule hat mit unserem Studienleiter Christian Staffa über den Beschluss der Stadtkirchengemeinde Wittenberg gesprochen, die als „Judensau“ bekannte antisemitische Schmähplastik aus dem Mittelalter nicht von der Fassade des Gotteshauses abzunehmen. Mit seiner überraschenden Entscheidung setzte sich der Gemeindekirchenrat über die Empfehlung eines eigens eingesetzten Expertenbeirats hinweg, dem auch Staffa als EKD-Beauftragter für den Kampf gegen Antisemitismus angehörte.
Die Entscheidung des Gemeindekirchenrats, die Skulptur an ihrem Platz zu belassen, bewertet Staffa in dem Interview als „Versuch, mit diesem Abgrund, mit dieser Widerlichkeit, mit diesem Antisemitismus umzugehen, ihn nicht weg zu lügen“. Er fügte hinzu: „Jetzt kommt es aber darauf an, was mit der Plastik weiterhin passiert.“
Der Gefahr einer „Fetischisierung“ der umstrittenen Plastik müsse man „durch eine Art der Darstellung entgegentreten, die nicht pathetisch ist, sondern das Blasphemische des Objektes zu bändigen versucht“, sagte Staffa, der an der Evangelischen Akademie zu Berlin Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche mit dem Schwerpunkt Bildung ist. „Wir wollen an diesen Bildern wachsen, Selbst- und Fremdaufklärung betreiben.“ 
Emotional sei zwar eigentlich klar, dass die „Kirchensau“ – wie Staffa die Skulptur bevorzugt nennt – entfernt werden müsse. „Intellektuell ist es aber so, dass man sich mit diesen Abgründen auch bildhaft beschäftigen muss. Da die Darstellung aber so obszön und gotteslästerlich ist, habe ich schon immer für eine Verhüllung plädiert.“
Wie nach dem jetzigen Entschluss der Ortsgemeinde ein angemessener Umgang mit der Plastik an der Fassade aussehen könne, beschrieb Staffa als „experimentelle Frage“. Dazu müsse man auch in den Innenraum der Stadtkirche mit ihrem „Reformationsaltar“ von Lucas Cranach dem Älteren schauen, der ebenfalls eine antisemitische Motivik (PDF-Dokument) aufweist. „Am gesamten so oft haarsträubend antijüdischem Bildprogramm müssen wir uns abarbeiten“, forderte Staffa.
Das gesamte Interview ist im Eule-Magazin sowie hier als PDF nachzulesen.


Tagungsdokumentationen zum Thema


Zum Umgang mit antisemitischen Bildnissen an und in Kirchengebäuden sind zwei epd-Dokumentationen zu Tagungen der Evangelischen Akademie zu Berlin erschienen, zuletzt Nr. 27-28/2022 zur Fachtagung Bilderverbot?! Zum Umgang mit antisemitischen Bildern an und in Kirchen. Die Akademie richtete diese Tagung im November 2021 in Kooperation mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem Zentrum für -Antisemitismusforschung/Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt und dem Kulturbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland aus.
Als epd-Dokumentation Nr. 4/2020 erschien ein Heft mit Beiträgen der Tagung In Stein gemeißelt – zum Umgang mit eingefurchten antisemitischen Bildern im Mai 2019. 

Fotoeffekte

Projektionen und Gegenbilder

Tagungsdokumentation zum Umgang mit antisemitischen Bildern an und in Kirchen

Wie sollten wir heute mit antisemitischen kunsthistorischen Bildnissen an und in Kirchen umgehen? Die Diskussion um die judenfeindliche Schmähskulptur an der Fassade der Wittenberger Stadtkirche – die Wittenberger „Judensau“ – wirft viele wichtige Fragen auf. Mit einer Fachtagung haben wir im …

In Stein gemeißelt

epd Dokumentation 04/2020

Wie setzt sich antijüdische, antisemitische Bildsprache in den Köpfen und Herzen fest? Wie wirken eingefurchte, kirchlich tradierte Bilder mit antisemitischen Motiven bis heute fort und wie ist ihnen sinnvoll zu begegnen? Für die Tagung In Stein gemeißelt – zum Umgang mit eingefurchten …

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