Digitalisierung und globale Ausbeutung

Digitalisierung und globale Ausbeutung

Interview mit Ingo Dachwitz

© Darja Preuss

Digitale Technologien gelten heute vielen Menschen als Heilsbringer. Aber wer zahlt den Preis dafür? Die These des Tech-Journalisten Ingo Dachwitz und des Globalisierungsexperten Sven Hilbig lautet: In der Digitalisierung schreiben sich koloniale Verhältnisse fort, sodass eine digitale Gesellschaft zulasten des Globalen Südens geht. Ausführlich thematisieren wir das bei der Vorstellung ihres gemeinsamen Buches Digitaler Kolonialismus. Wie Tech-Konzerne und Großmächte die Welt unter sich aufteilen sowie bei einem Online-Abend mit Datenarbeiter*innen aus dem Globalen Süden. Ingo Dachwitz haben wir schon vorab einige Fragen gestellt.

Was ist „digitaler Kolonialismus“?

Hinter der Digitalisierung verbergen sich globale Macht- und Ausbeutungsverhältnisse. Digitaler Kolonialismus ist, wenn Menschen in der Demokratischen Republik Kongo beim Abbau von Kobalt ums Leben kommen und niemand Verantwortung dafür übernimmt. Nicht die Rohstoffunternehmen; nicht die Tech- und Autokonzerne, die das Kobalt in ihren Batterien verbauen; nicht wir, deren Geräte ohne diese Akkus nicht funktionieren würden.

Gibt es Alternativen zu solchen Ausbeutungsverhältnissen?

Der einfachste Weg wäre, dass die Tech-Konzerne selbst für faire Bedingungen sorgen. Mit Googles Gewinn von 100 Milliarden US-Dollar allein 2024 wäre vieles möglich. Aber der globale Kapitalismus funktioniert nur dank kolonial geprägter Ausbeutung. Die Alternative ist ein konsequentes Umdenken. Dazu gehören etwa Degrowth, Kreislaufwirtschaft, effektive Regulierung und der Aufbau gemeinnütziger Alternativen.

Warum betrifft es den Globalen Süden, wenn wir Produkte mit künstlicher Intelligenz aus den USA oder China nutzen?

Der Mythos „Künstliche Intelligenz“ soll uns ja das Gefühl vermitteln, wir hätten es mit magischen Maschinen zu tun. Dabei wird gerne verschwiegen, dass der Erfolg von Anwendungen wie ChatGPT auf manueller menschlicher Arbeit beruht, beispielsweise bei der Aufbereitung von Daten für Machine-Learning-Modelle. Hinter Künstlicher Intelligenz steht heute ein unsichtbares Prekariat aus Millionen Menschen vor allem im Globalen Süden.

Inwieweit ist Digitalpolitik heute ein Instrument geopolitischer Konflikte?

Am deutlichsten wird das gerade bei Elon Musk, der etwa mit seinem Satelliteninternet Druck auf die Ukraine ausübt, sich Donald Trumps Politik nicht zu widersetzen. China versucht, den Globalen Süden mit gewaltigen Infrastrukturinvestitionen in eine Abhängigkeit zu treiben; die EU kopiert diesen Weg. Alle drei instrumentalisieren globale Handelspolitik, um Tech-Industrien des Globalen Südens den Aufstieg schwer zu machen.

Können wir als Einzelne oder als Institutionen dem digitalen Kolonialismus entgegenwirken?

Wir können zum Beispiel Gegenbewegungen unterstützen, egal ob analog oder digital. Wir können uns mit Tech-Arbeiter*innen solidarisieren, die sich überall auf der Welt für fairere Bedingungen organisieren. Und wir können uns selbst aus den Fängen der Tech-Imperien lösen und aktiv an den gemeinnützigen Alternativen mitbauen.

Ingo Dachwitz ist Kommunikationswissenschaftler, Journalist (netzpolitik.org) und Mitglied im Beirat der Evangelischen Akademie zu Berlin. In seinem aktuellen Buch „Digitaler Kolonialismus“ beschreibt er mit Sven Hilbig, mit welchen Mitteln und welchen Folgen Tech-Konzerne und Großmächte die Welt unter sich aufteilen.

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