Offenheit und Bekenntnis
Wie Kirche heute die Demokratie stärken kann

Zehntes Fachgespräch der Direktor*innen der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen
Christen und Christinnen sind eine Minderheit in Ostdeutschland. Auch in Westdeutschland sinken die Mitgliederzahlen der großen Kirchen. Warum bleiben die Kirchen für die Demokratie dennoch wichtig? Wie können sie weiterhin ihren Beitrag für das Zusammenleben leisten? Und: Worin besteht dieser Beitrag?
Darüber haben die Direktorinnen und Direktoren der ostdeutschen Evangelischen Akademien in ihrem zehnten Fachgespräch zur Demokratie mit Expertinnen und Experten aus Kirche und Diakonie diskutiert.
Die Direktorinnen und Direktoren sehen die Gefahr, dass sich Kirche zunehmend mit sich selbst befasst. Kirche sei aber nicht für die Kirche da, vielmehr sei ihr Wirkungsfeld die Gesellschaft. Die Fragen des Allgemeinwohls seien Fragen der Nächstenliebe und damit Handlungsfeld von Kirche. In einer Zeit der emotionalen Verhärtung und Frontenbildung könnten Kirchen Orte sein und neu schaffen, in denen auf Augenhöhe kontrovers gesprochen werde, ohne die gesellschaftliche Polarisierung voranzutreiben. Gleichzeitig solle die Kirche sich mutig zu den Quellen von Gemeinschaft und innerem Zusammenhalt bekennen, aus denen sie schöpfe. Ein solcher Ort der Debatte seien auch die Evangelischen Akademien.
„Keine Demokratie ohne Debatte. Die Kirchen im Osten haben am Ende der DDR zur Demokratisierung beigetragen. Heute gilt es, die Demokratie zu erhalten“, sagt Sebastian Kranich, Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen. „Als Teil der Zivilgesellschaft sind die Kirchen vor Ort auf vielfältige Weise mit Vereinen und Initiativen vernetzt. Darin liegen ihre Aufgabe und ihre Chance.“
Der Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche Henning Theißen hält fest: „Offensein ist eine Haltungsfrage. Doch das heißt nicht Beliebigkeit. Der Kern christlicher Ethik ist Nächstenliebe. An diesem Kern wird Kirche sich immer orientieren. Menschenhass und Fremdenfeindlichkeit sind unchristlich. Sowohl im öffentlichen als auch im politischen Raum.“
Das Fazit der Direktorinnen und Direktoren: Im Spannungsfeld zwischen Offenheit und Bekenntnis gilt es, die Ressourcen zu nutzen, die Kirche ausmachen. Ihre Gemeinden sind demokratisch verfasst, ihre Mitglieder auf vielen beruflichen und gesellschaftlichen Feldern aktiv. Weniger Selbstverzwergung, mehr Selbstbewusstsein – mit einer solchen Haltung ist der Demokratie in Deutschland 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution am meisten gedient.
Seit Anfang 2024 debattieren die Direktorinnen und Direktoren der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland monatlich in einem Fachgespräch mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen. Sie legen dabei den Fokus auf Ostdeutschland und diskutieren etwa über den Druck, der derzeit auf der liberalen Demokratie lastet, und über den Umgang mit rechtsradikalen Parteien. Die Essenz dieser Gespräche veröffentlichen die Akademien als gemeinsame Stellungnahmen zur Demokratie.
Erschienen am 19.08.2025
Aktualisiert am 20.08.2025