Kirchenasyl ist mitunter die Ultima Ratio, wenn Abschiebungen drohen: eine letzte Möglichkeit, Menschenrechtsverletzungen abzuwenden, nachdem alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Kirchenasyl ist aber auch Kritik, Korrektiv, widerständige Praxis, ziviler Ungehorsam – die Aufforderung an den Staat, eine ablehnende Asylentscheidung zu revidieren. Vor allem ist es eine Gewissensentscheidung von Christinnen und Christen, Menschen in Not zu helfen und ihnen einen Schutzraum zu gewähren. Seit 40 Jahren ist die Kirchenasylbewegung in Deutschland aktiv, um für einen gerechten Zugang zu Sicherheit und Schutz für geflüchtete Menschen zu kämpfen. Mit dieser Tagung erinnern wir an die Anfänge, streiten über Entwicklungen in Asylrecht und -praxis und stehen ein für eine gerechtere Gesellschaft für alle.
Am 30. August 1983 starb in Berlin der 23-jährige politische Flüchtling Cemal Kemal Altun. Aus Angst vor einer Auslieferung an die Türkei stürzte er sich aus dem Fenster eines Gerichtssaals. Der Tod Altuns bewegte erstmals in Deutschland Kirchengemeinden dazu, abgelehnten Asylbewerber*innen bei Gefahr für Leib und Leben Schutz in ihren Räumen zu gewähren: Noch im selben Jahr entschloss sich die Kirchengemeinde Heilig Kreuz in Berlin, ein Kirchenasyl zu geben, das heute als Initialzündung für die moderne Kirchenasylbewegung in Deutschland gilt.
Zum 40. Jahrestag der Bewegung diskutieren wir mit Gästen aus Kirchen, Politik und Verwaltung aktuelle Fragen des Kirchenasyls: Wie haben sich das Verständnis von Kirchenasyl und die damit verbundene Praxis im Laufe der Zeit gewandelt? Welche Akteure kommen neu in den Blick, welche geraten aus dem Fokus? Wo steht die Bewegung heute? Wie geht es weiter?
Seit der Zeit der ersten Kirchenasyle in Deutschland Anfang der 1980er Jahre ist die deutsche Kirchenasylbewegung mit dem US-amerikanischen Sanctuary Movement und einem internationalen Netzwerk Gleichgesinnter verbunden. In diesem Zusammenhang entstand 2016 die International Sanctuary Declaration, in der Kirchenasyl-Bewegungen aus Europa und den USA die Prinzipien ihres Engagements formuliert haben.
Die Tagung richten wir in Kooperation mit der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. und Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V. aus. Auch in den Medien wird das Thema derzeit aufgegriffen.
Mittwoch, 30. August 2023
Rahmenprogramm
10.00 Uhr Gedenkfeier und Kranzniederlegung am Gedenkstein für Cemal Altun (Hardenbergstr. 20, 10623 Berlin)
Tagungsprogramm
11.30 Uhr Ankommen und Anmeldung
12.00 Uhr Eröffnung und Einführung in die Tagung
Dietlind Jochims, Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche
Bernhard Fricke, Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg
Dr. Max Oliver Schmidt, Evangelische Akademie zu Berlin
12.30 Uhr Kirchenasyl damals und heute. Wir bewegen Kirche
Podium mit Publikumsbeteiligung
Verena Mittermaier, Pfarrerin, Perleberg
Jürgen Quandt, Pfarrer i.R., Heilig-Kreuz-Kirchengemeinde Berlin-Kreuzberg
Jörg Passoth, Pfarrer i.R., Mitbegründer Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg
Josephine Furian, Seelsorgerin in der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt
Manal Seifeldin, ehem. Mitarbeiterin der Flüchtlingskirche Berlin-Kreuzberg (angefragt)
14.00 Uhr Pause
14.30 Uhr Parallel-Workshop
Workshop 1: Kirchenasyl für Anfänger*innen
Margareta Trende
Manuaill Khorani
Workshop 2: Was tun bei Räumung(sandrohung)?
Dietlind Jochims
Workshop 4: Kirchenasyl auf Augenhöhe
Magdalena Zimmermann
Hala Manla Hasan
Workshop 5: Länderfokus Polen
Magda Quandil
Bernhard Fricke
15.30 Uhr Pause
16.00 Uhr Die politische Dimension des Kirchenasyls
Podium mit Publikumsbeteiligung
Ayten Dogan, Sozialwissenschaftlerin, SPD-Lokalpolitikerin Berlin
Dr. Ursula Schoen, Direktorin des DWBO
Frank Schimmelpfennig, Leiter Gruppe 32 Dublin, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Dietlind Jochims, Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche
Moderation: Christian Jakob, Journalist, taz
18.00 Uhr Festgottesdienst mit Bischof Dr. Christian Stäblein und Domprobst Tobias Przytarski
19.30 Uhr Buffet und Feier
mit Musik im Garten der Heilig-Kreuz-Kirche
Donnerstag, 31. August 2023
10.00 Uhr Willkommen und Einführung in den Tag
Ulrike La Gro, Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche
Homaira Sadat, Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche
10.15 Uhr Keynote: Wenn wir über Grenzen reden: worüber reden wir?
Human Rights Center Fray Matias, Mexiko
10.30 Uhr Vorstellung der International Sanctuary Declaration: Wie sich Borderregime global organisieren.
Katherine Braun, Nordkirche
Ulrike La Gro, Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche
10.45 Parallel-Workshops mit internationalen Gästen
Workshop 1: Empathie und Mitgefühl
N.N., Women in Exile
Moderation: Katherine Braun, Nordkirche
Workshop 2: Angemessene Verfahren
Prof. Alexander Vernon, Canadian Sanctuary Movement
Nefeli Belavila-Trova, Aegean Migrant Solidarity
Moderation: Sara Bellezza, Borderline Europe
Workshop 3: Widerherstellende Gerechtigkeit
Josephine Furian, Seelsorgerin Eisenhüttenstadt
Linda Alvaro-Arce, Fellowship of Reconciliation USA
Moderation: Veronika Zablotsky
Workshop 4: Zivile Initiative
Ghias Aljundi, Flüchtlingsaktivist
Geoff Boyce, No more Deaths
Moderation: Kathryn Dennler, Canadian Sanctuary Movement
13.00 Uhr Mittagessen und Pause
14.30 Uhr Die Internationale Sanctuary-Bewegung
Podium mit Publikumsbeteiligung
Elizabeth Ngari, Women in Exile
Josephine Furian, Seelsorgerin in Eisenhüttenstadt
Alexander Vernon, Canadian Sanctuary Movement
Geoff Boyce, No more Deaths
Moderation: Noor Amr, Stanford University
16.00 Uhr Abschluss und Segen
Bernhard Fricke und Ulrike La Gro
16.30 Uhr Ende der Veranstaltung
Änderungen des Programms vorbehalten!