23. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz

Symposium

An Europas Grenzen und in Deutschland

Flüchtlingsschutz als Kern unserer Werte

23. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz

Tagungsnr.
23041
Von: 26.06.2023 09:00
Bis: 27.06.2023 14:00
Französische Friedrichstadtkirche und Haus der EKD

© Maxironwas | Dreamstime.com

Inhalt

Flüchtlingsschutz menschenrechtskonform zu gestalten und Geflüchteten mehr gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, bleiben auch 2023 wesentliche Aufgaben von Politik, Behörden und Zivilgesellschaft. Denn Menschen auf der Flucht brauchen in vielerlei Hinsicht Schutz. Gefahren drohen ihnen nicht nur von Krieg, Armut und Hungerkatastrophen oder brutalen Diktaturen, sondern auch durch menschenverachtende Praktiken an den EU-Außengrenzen, durch die Politik illiberaler Demokratien und durch den Verlust von Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union.

Einen sicheren und fairen Zugang zum Asylverfahren sollen in der EU rechtsstaatliche Verfahren sicherstellen. Zivilgesellschaftliches Engagement hat viel erreicht, um der Einlösung dieses Anspruchs näher zu kommen. Nichtregierungsorganisationen, Aktivist*innen und die Bevölkerung vor Ort unterstützen Geflüchtete seit Jahren an den europäischen Außengrenzen. Sie organisieren zum Beispiel medizinische Versorgung, rechtliche und psychosoziale Unterstützung, ein warmes Essen und Kleider oder dokumentieren Rechtsverstöße. Trotzdem sind die Verletzung von Menschenrechten und Gewalt gegen Geflüchtete an EU-Außengrenzen und auch auf dem Boden der EU immer noch an der Tagesordnung. Nach wie vor gibt es kaum sichere Fluchtrouten für Menschen, die fliehen müssen.

Um Menschen auf der Flucht besser zu schützen, müssen alle gesellschaftlichen und politischen Kräfte gebündelt werden. Zu oft werden Geflüchteten grundlegende Rechte verweigert, finden sie keinen Schutz, erfahren Gewalt und werden mit illegalen Methoden zurückgewiesen. Zudem sind die Gründe für und Arten von Flucht so unterschiedlich, dass ein ausdifferenzierter Flüchtlingsschutz nötig ist, um die Problemlagen verschiedener Gruppen von Geflüchteten anzuerkennen und auf sie einzugehen. Flüchtlingsschutz sollte nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der politischen und rechtlichen Praxis der Kern europäischer Werte sein. Um den gegenwärtigen Herausforderungen zu begegnen, ist ein enger Austausch zwischen Politik, Gerichten, Anwält*innen, Behörden und Zivilgesellschaft nötig.

Wie steht es aktuell in Europa und Deutschland um den Flüchtlingsschutz? Welche politischen und rechtlichen Entwicklungen gibt es? Wie soll ein zukünftiger Flüchtlingsschutz aussehen? Auch dieses Jahr bietet das Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz ein Forum, um im politischen Berlin in einen konstruktiven Austausch zu treten, sich zu vernetzen und gemeinsam Lösungsansätze für den Schutz flüchtender und geflüchteter Menschen zu erarbeiten.

Verantwortung der Bundesregierung und Schutz auf EU-Ebene

Am ersten Tag des Symposiums stehen drängende Entwicklungen im europäischen Flüchtlingsschutz und die Verantwortung der Bundesregierung im Mittelpunkt. Wo steht der Flüchtlingsschutz zwei Jahre nach dem Regierungswechsel? Der Diskussion darüber stellt sich Bernd Krösser, Staatssekretär Bundesinnenministerium. Wie sich Gewalt gegen Flüchtende und Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen bekämpfen, und Zugänge zu Asylverfahren sichern lassen, diskutieren Menschenrechtsaktivist*innen und drei Abgeordnete des EU-Parlaments auf einem Podium.

Um Flüchtlingsschutz europaweit auch gegen politischen Druck durchzusetzen, sind oft Gerichte wesentliche Akteure. Doch wie sieht die Situation in Ländern aus, in denen auch die Rechtsprechenden unter Druck stehen? Darüber sprechen Tomasz Sieniow, Präsident der polnischen Stiftung Institut für Rechtsstaatlichkeit, und der ehemalige Verwaltungsrichter Wolfgang Bartsch.

In den Arbeitsforen am Nachmittag blicken wir auf die Situation für Menschen aus Afghanistan und Iran, auf die Schutzsituation für Wehrdienstentzieher, auf Fragen der Identitätsklärung, die Weiterentwicklung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sowie auf 30 Jahre Asylbewerberleistungsgesetz und seine Auswirkungen. Am Abend fragen wir, welche Folgen die Einschränkungen des Rechts auf Asyl im Grundgesetz vor 30 Jahren hatte und bis heute hat und welche künftigen Entwicklungen absehbar sind.

Migrationsabkommen, Unterbringung, Lebenswelten Geflüchteter

Den zweiten Tag des Symposiums eröffnet der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Christian Stäblein. Anschließend geht es um Migrationsabkommen mit Drittstaaten. Auch die Unterbringung und der Schutz von Geflüchteten in Deutschland sind immer wieder in der öffentlichen Debatte. Was brauchen Kommunen für eine zukunftsfähige Unterbringung von Schutzsuchenden? Außerdem rücken wir die Lebenswelten geflüchteter Menschen in den Fokus: Wie stellt sich Einbürgerung für sie dar, was heißt Zugehörigkeit, wo gibt es Probleme?

Vier Perspektiven aus der Praxis sollen abschießend die Umsetzung des Koalitionsvertrags bewerten und zeigen, was funktioniert und wo Verbesserungsbedarf besteht. Es sprechen u.a. der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Dr. Hans-Eckhard Sommer, und der Direktor des Berliner Landesamtes für Einwanderung, Engelhard Mazanke.

Programm

Montag, 26. Juni 2023

8.00 Uhr Anmeldung und Kaffee

9.00 Uhr Eröffnung
Dr. Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin

9.15 Uhr Rahmenmoderation
Dr. Max Oliver Schmidt, Evangelische Akademie zu Berlin

9.30 Uhr Raum der Freiheit und des Rechts zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Die Bedeutung des Asylrechts für die Rechtsstaatlichkeit.
Bernd Krösser, Staatssekretär bei der Bundesministerin für Inneres und Heimat

10.00 Uhr Zivilgesellschaftliche Reaktion und Diskussion
mit Publikumsbeteiligung
Karl Kopp, PRO ASYL
Franziska Vilmar, Amnesty International

11.00 Uhr Kaffeepause

11.30 Uhr Grenzüberschreitung: Erster Schritt zum Schutz in der EU oder Gewalterfahrung?
Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung
Nicole Vögele, Journalistin und Filmemacherin
Birgit Sippel, SPD, MdEP
Dr. Cornelia Ernst, Die Linke, MdEP
Erik Marquardt, Bündnis 90/Die Grünen, MdEP

Moderation: Harald Löhlein, ehem. Abteilungsleiter Migration und internationale Kooperation beim Paritätischen Gesamtverband

13.00 Uhr Mittagessen und Informations-Parcours

15.00 Uhr Courts as Actors in the Protection of Refugees at the EU's external Borders
Podiumsgespräch auf Englisch mit Publikumsbeteiligung
Wolfgang Bartsch, ehem. Präsident des Verwaltungsgerichts Braunschweig
Prof. Dr. Tomasz Sieniow, President of the Rule of Law Institute & Associate Professor of Law at the John Paul II Catholic University of Lublin
Moderation: Johanna Mantel, Juristin für Asyl- und Migrationsrecht, Dozentin an der RLC-Berlin

16.00 Uhr Anmoderation Foren

16.30 Uhr Arbeitsforen (mit Publikumsbeteiligung und Kaffee und Kuchen)

AF 1: Aktuelle Menschenrechtssituation in Afghanistan – Schutz in Deutschland?

Die Menschenrechtslage in Afghanistan ist katastrophal. Insbesondere Frauen und Mädchen sind wegen ihres Geschlechts Unterdrückung und Gewalt ausgesetzt. Immer mehr Menschen nehmen gefährliche Wege auf sich, um aus dem Land zu fliehen, denn legale Fluchtrouten gibt es kaum. Welchen Schutz finden sie in Deutschland?

Shikiba Babori, Autorin und Journalistin
Marcus Grotian, Vorsitzender Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte e.V.
Dessislava Kirova, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Moderation: Franziska Vilmar, Amnesty International Deutschland e.V., Teamleitung Regionen & Themen

AF 2: Wie steht es um Schutzsuchende aus dem Iran in Deutschland?

Die Protestbewegung gegen den iranischen Staat haben sich durch den Tod von Jîna Mahsa Amini nochmal deutlich verstärkt. Das Regime reagiert mit Härte gegen die Protestierenden und es erscheinen immer mehr Berichte zu Folter, willkürlichen Inhaftierungen und Hinrichtungen. In diesem Forum schauen wir auf die Situation in Iran und wollen diskutieren, was die Lage dort für schutzsuchende Personen aus Iran im Asylverfahren in Deutschland bedeutet. Dabei soll es insbesondere um die Flüchtlingsanerkennung von Frauen, Verfahrensfragen für schon in Deutschland befindliche Iraner*innen und den Stand von Abschiebungen in den Iran gehen.

Insa Graefe, Rechtsberaterin bei Fluchtpunkt Hamburg - kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge
Dr. Ali Fathollah-Nejad, Gründer und Direktor des Center for Middle East and Global Order (CMEG)
Carolin Dörr, Richterin am Verwaltungsgericht Braunschweig

Moderation: Johanna du Maire, Juristische Referentin bei der Bevollmächtigten des Rates der EKD

AF 3: 30 Jahre AsylbLG - 30 Jahre Ausgrenzung und Abschreckung - 30 Jahre Verfassungskonflikt

Die drastische Reduzierung von Sozialleistungen für Geflüchtete als Teil des "Asylkompromisses" 1993 ist Verbänden, Organisationen und Kirchen seit jeher ein Dorn im Auge. Trotz des großen Erfolges beim Bundesverfassungsgerichts 2012, das aufgrund der eklatanten Verfassungsmängel selbst vorläufige Regelungen schaffen musste, sind viele Fragen nach wie vor ungelöst: Sozialbehörden kürzen und verweigern Leistungen oft aufgrund fragwürdiger Ermessensausübung. Offen ist zudem immer noch: Darf in einem Sozialstaat wie Deutschland bei dem grundgesetzlich verankerten menschenwürdigen Existenzminimum mit zweierlei Maß gemessen werden? In dem Forum werden Ergebnisse einer aktuellen Studie zur Bedarfsdeckung vorgestellt und die derzeit relevantesten rechtlichen Fragestellungen in der Flüchtlingssozialberatung erörtert.

Sven Adam, Rechtsanwalt Göttingen
Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin
Felicitas Karimi, Flüchtlingsberaterin Berlin

Moderation: Andrea Kothen, PRO ASYL

AF 4: Rechtsstaat an der Grenze: Aktuelle Entwicklungen in der GEAS-Reform - Einigung um jeden Preis?

Derzeit finden unter Hochdruck Gespräche über die 2020 veröffentlichten Reformvorschläge zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) statt. Kommission, Rat und Parlament stehen unter Erfolgsdruck: Die Europawahl 2024 ist in greifbarer Nähe und ein erneutes Scheitern wie beim Reformprozess 2016-18 soll verhindert werden. Doch zu welchem Preis? Droht ein Ausverkauf der Rechte Schutzsuchender auf den letzten Metern und legitimiert, was in vielen Ländern längst praktiziert wird? In dem Forum wird der aktuelle Verhandlungsstand in Bezug auf das Grenzverfahren, sog. Sichere Drittstaaten, die Solidarität und Zuständigkeitsverteilung, sowie Maßnahmen bei Krisen und "Instrumentalisierung" aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt und bewertet.

Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin PRO ASYL
Birgit Sippel, MdEP, innenpolitische Sprecherin der S&D Fraktion
Dr. Ulrike Hornung, Bundesministerium des Inneren und für Heimat

Moderation: Katharina Voss, Diakonie Deutschland

AF 5: Wehrdienstentziehung und Kriegsdienstverweigerung - (k)ein Grund für Asyl in Deutschland?

Kriegsdienstverweigerung ist nicht per se ein Grund für Asyl. Eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention liegt nur dann vor, wenn die Verfolgungshandlungen kausal mit den Verfolgungsgründen verknüpft sind oder der Kriegsdienst mit hoher Wahrscheinlichkeit Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit umfassen würde. Ob dieser Maßstab bezogen auf verschiedenste Herkunftsländer, wie etwas Syrien, Eritrea, Russland und Ukraine gegeben ist, wird kontrovers diskutiert und führt zu einer divergierenden Anerkennungspraxis und Rechtsprechung. In dem Arbeitsforum werden die materiellrechtliche Herleitung des Schutztatbestandes dargelegt und anhand aktueller Fallgruppen rechtlich und politisch eingeordnet.

Franz Nadler, Connection e.V.
Inga Schulz, Rechtsanwältin
Julia Tenspolde, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Moderation: Manuel Armbruster, AWO Bundesverband

AF 6: Die Unwägbarkeiten der Identitätsklärung

In diesem Arbeitsforum wird es um Fragen rund um die Identitätsklärung gehen. Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert werden, welche Maßnahmen an die Identitätsklärung gestellt werden (können) und welche Probleme in der Praxis bestehen. Dabei werden unter anderem die unterschiedlichen Rechtsbereiche, wie das Asyl-, Aufenthalts-, Personenstands- und das Staatsangehörigkeitsrecht in den Blick genommen und die unterschiedlichen Maßstäbe voneinander abgegrenzt.

Frauke Steuber, Referatsleitung, Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung Berlin
Thomas Dahms, Justiziar der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg und Leiter der Erstaufnahme
Moritz Löhr, UNHCR Berlin

Moderation: Laura Hilb, Informationsverbund Asyl & Migration

18.00 Uhr Rückkehr aus den Foren

18.15 Uhr Ein Blick zurück nach vorn – 30 Jahre Grundgesetzänderung
Jutta Graf, ehemals Amnesty International Deutschland
Günter Burkhardt, PRO ASYL
Moderation: Johanna du Maire, Juristische Referentin bei der Bevollmächtigten des Rates der EKD

19.00 Uhr Abendimbiss und Vernetzungsgespräche

Dienstag, 27. Juni 2023

8.30 Uhr Ankommen mit Kaffee

9.00 Uhr Grußwort
Bischof Dr. Christian Stäblein, Flüchtlingsbeauftragter der EKD

9.15 Uhr Migrationsabkommen mit Drittstaaten – ein taugliches Konzept der Migrationspolitik?
Dr. Anne Koch, Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit
Andreas Grünewald, Brot für die Welt

10.00 Uhr Was brauchen Kommunen für eine zukunftsfähige Unterbringung
mit Publikumsbeteiligung
Mike Schubert, Oberbürgermeister von Potsdam
Steffen Bockhahn, Senator und zweiter Stellvertreter der Oberbürgermeisterin von Rostock
Dominique Reißenweber, AWO Bundesverband

Moderation: Inga Matthes, Deutsches Rotes Kreuz

10.45 Uhr Kaffeepause

11.15 Uhr Vielfalt in Deutschland – Von Geflüchteten zu Staatsbürger*innen
Almaz Haile, Flüchtlingsrat Berlin
Sara Nabil, Künstlerin und Menschenrechtsaktivistin
Obada Barmou, Ko-Vorsitzender, Verbandsgemeinde Jockgrim Bündnis 90/ Die Grünen
Moderation: Corinna Buschow, epd Berlin

12.15 Uhr Koalitionsvertrag in der Umsetzung? Vier Perspektiven aus der Praxis
mit Publikumsbeteiligung
Dr. Hans-Eckhard Sommer, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
Engelhardt Mazanke, Direktor des Landesamtes für Einwanderung, Berlin
Maria Kalin, Rechtsanwältin
Maria Bethke, Referentin Asylverfahrensberatung und Erstaufnahme Diakonie Hessen
Moderation: Kerstin Becker, Abteilungsleitung Migration und internationale Kooperation, Der Paritätische Gesamtverband

14.00 Uhr Abschlussnote

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Leitung

Dr. Max Oliver Schmidt

Studienleiter Migration und Europa

Telefon (030) 203 55 - 588

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