Kreisau als Symbol für den Neubeginn

Kreisau als Symbol für den Neubeginn

© Artur Klose - Wikimedia Commons

Als die Mauer am 9. November 1989 fiel, besuchte Helmut Kohl im Rahmen eines Staatsbesuchs Polen. Der Bundeskanzler unterbrach den Besuch angesichts des unfassbaren Ereignisses und kehrt kurz darauf wieder nach Polen zurück, um mit Premierminister Tadeusz Mazowiecki am 12. November 1989 auf dem Hof des Gutes in Kreisau eine Messe zu feiern. Tadeusz Mazowiecki, der erste nichtkommunistische Premierminister Polens nach Ende des Zweiten Weltkriegs, und der Bundeskanzler tauschten drei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer während des Gottesdienstes den Friedensgruß aus – ein wichtiges Symbol für deutsch-polnische Aussöhnung nach 1945.

Zunächst war weder eine Teilnahme Mazowieckis noch der Ort Kreisau für den Gottesdienst im geplant. Vielmehr hatte sich Helmut Kohl im Rahmen des Staatsbesuchs mit Vertreter*innen der deutschen Minderheit treffen wollen. Dieses Treffen sollte auf Einladung des Oppelner Bischofs Alfons Nossol mit einem Gottesdienst in deutscher Sprache auf dem Sankt Annaberg stattfinden. Das Vorhaben löste eine erbitterte Kontroverse aus. Ein Treffen des Bundeskanzlers mit Vertreter*innen der offiziell gar nicht existierenden deutschen Minderheit galt vielen als Provokation – zumal an diesem Ort. Mazowiecki schlug vor, den Gottesdienst nicht auf dem Berg in Oberschlesien, sondern auf dem Gelände des ehemaligen Guts der Moltkes in Niederschlesien zu feiern. Helmut Kohl akzeptierte sofort, zumal nun beide Regierungschefs an der Messe teilnehmen wollten. Die Ortswahl war alles andere als zufällig: Tadeusz Mazowiecki war bereits in den 70er Jahren auf Kreisau und den Kreisauer Kreis aufmerksam geworden – bei der Beschäftigung mit den „anderen Deutschen“. So führte ausgerechnet die Auseinandersetzung um den Sankt Annaberg über das europäische Vermächtnis des Kreisauer Kreises zu einer symbolträchtigen (bundes)deutsch-polnischen Annäherung. Die Teilnahme der beiden Regierungschefs an der Messe war ein starkes Symbol der gewachsenen Aussöhnung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen, ein Versprechen für ein erneuertes Verhältnis der beiden Staaten zu einander gegeben. Im Nachgang zur gemeinsamen Messe und dem Staatsbesuch erklärten beide Regierungen, den Aufbau einer Jugendbegegnungsstätte in Kreisau finanziell unterstützen zu wollen.

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