Angst vor der Wiederkehr von Ausgrenzung

Angst vor der Wiederkehr von Ausgrenzung

Publikation über die „Macht der Projektion“ nach dem 7. Oktober 2023

© Tamir Neffgen (mit Canva bearbeitet)

Der Antisemitismus, der sich zunehmend in Form einer harschen Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen ausdrückt, ignoriert die eliminatorische Intention der Hamas und ihrer Verbündeten sowie die Notwendigkeit des Staates Israel, sich nicht nur zu verteidigen, sondern die terroristische Infrastruktur zu zerstören. Auf dieser Überzeugung von Christian Staffa und Doron Kiesel fußt das soeben erschienene Buch „Die Macht der Projektion und der 7. Oktober“. Die oft empathielose Reaktion auf den brutalen Überfall der Hamas und der in Folge anwachsende Antisemitismus habe in den jüdischen Gemeinden in Deutschland die Angst vor der Wiederkehr von Ausgrenzung und Vertreibung wachsen lassen, schreiben Staffa und Kiesel in ihrem Vorwort zur Publikation.

Nach dem 7. Oktober 2023 habe sich innerhalb der israelischen Gesellschaft ein Prozess der Retraumatisierung vollzogen. „Konnotierte die jüdische Gemeinschaft Bilder von grausam misshandelten und ermordeten Juden und Jüdinnen mit der Shoah, so wiederholte sich mit dem Massaker der Hamas die traumatische Erfahrung aus der Zeit des Nationalsozialismus, dass Juden und Jüdinnen allein deshalb vernichtet werden, weil sie Juden oder Jüdinnen sind.“ Das damit einhergehende Gefühl der Ohnmacht, Wut und Hilflosigkeit sei auch in der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland verbreitet. Weite Teile der deutschen Öffentlichkeit hätten kalt und empathielos auf die Verbrechen der Hamas reagiert, so der Akademie-Studienleiter und der Leiter der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Das lange Schweigen der deutschen Kulturszene, das peinliche Wegschauen feministischer Aktivistinnen, der antisemitische Turn von Teilen der ökologischen Bewegung und schließlich die politische Einfältigkeit von Gruppen, die ungeachtet der Komplexität des Nahostkonflikts ein identifikatorisches Handeln zugunsten der ‚einzig wahren‘ Opfer – sprich: der Palästinenser – demonstrativ an den Tag legen wollen, haben die politische Kultur in Deutschland zuletzt maßgeblich geprägt.“

Kiesel und Staffa verwiesen darauf, dass die zweite Generation von Jüdinnen und Juden in Deutschland mit der Erkenntnis aufgewachsen sei, dass die politische Klasse der Bundesrepublik die Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte als herausragenden Aspekt der politischen Kultur verstehe. Die Bereitschaft, die Bundesrepublik als eigenen Lebensmittelpunkt zu akzeptieren und sich mit ihrem politischen System zu identifizieren, habe auch dazu geführt, „dass immer mehr jüdische Gemeinden aus ihrem Schattendasein an die Öffentlichkeit traten“. Das Verhältnis zwischen Angehörigen der jüdischen Gemeinschaft und den nichtjüdischen Deutschen schien sich in den vergangenen Jahrzehnten stabilisiert zu haben, konstatieren die Autoren. „Doch während sich die gesellschaftlichen Beziehungen weiterentwickelten, kam und kommt es immer wieder zu Bruchstellen, zu antisemitisch aufgeladenen öffentlichen Debatten.“ Mit dem Auftauchen der rechtsextremen AfD in der politischen Landschaft und der Zuwanderung vieler muslimischer Geflüchteter – darunter solche, die aus Ländern stammen, aus deren Perspektive Israel keine Existenzberechtigung im Nahen Osten besitze –, stelle sich für viele Jüdinnen und Juden die Frage, ob sie weiterhin davon ausgehen können, in diesem Land wirklich erwünscht zu sein.

Die vom Zentralrat der Juden in Deutschland veröffentlichte Publikation zeigt unterschiedliche Perspektiven auf das Leben in Deutschland und Israel nach dem 7. Oktober, „auf die abgründige Gewalt des Massakers der Hamas und auf die unempathischen bzw. denunzierenden Positionierungen mancher Akteure nicht nur in Deutschland“. Nicht zuletzt werden auch die christlichen Signaturen des israelbezogenen Antisemitismus herausgestellt, sowie sein darin gründender projektiver Charakter, der auch Teile der postkolonialen Theoriebildung prägt.

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Dr. Christian Staffa

Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche

Telefon (030) 203 55 - 411

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