Ein vom Bundesrat vorgelegter Gesetzentwurf sieht vor, dass alle in Deutschland mit Hauptwohnsitz gemeldeten Personen nach ihrem Tod automatisch für Organspenden herangezogen werden könnten – es sei denn, sie dokumentieren ihren Widerspruch zuvor ausdrücklich. Gegner dieser „Widerspruchslösung“ betonen, dass Schweigen in diesem Zusammenhang nicht als Zustimmung missverstanden werden darf – zumal wenn die Aufklärung dürftig sei. Zudem sei nicht ausgemacht, dass die Widerspruchslösung tatsächlich auch zu mehr verfügbaren Organen führe.
Das Thema berührt ethische, rechtliche und auch seelsorgliche Fragen an der Grenze von Leben und Tod: Ist der Hirntod ein ausreichend begründetes Kriterium für die Todesdefinition? Wie beeinflusst eine Organspende den Sterbeprozess? In welchem Umfang ist es ethisch vertretbar, wenn eine Therapie bei potenziellen Spendenden ausgeweitet wird, damit Organe erhalten werden? Wie kann abgewogen werden zwischen einer solchen organprotektiver Therapie und dem Zulassen – und der würdevollen Begleitung – des Sterbens? Wie können widersprüchliche Willensäußerungen vermieden werden, etwa zwischen Organspendeausweis und Patientenverfügung? Wie kann sichergestellt werden, dass eine umfassende Aufklärung aller potenziell Spendenden erfolgt? Wie können Angehörige einfühlsam unterstützt werden, die sich von einem Körper verabschieden, der auf sie nicht tot wirkt – und wie kann dies im angespannten Klinikalltag würdewahrend umgesetzt werden?
Diesen und anderen kritischen Anfragen stehen die existentiellen Interessen derjenigen gegenüber, die zum Überleben auf ein Spenderorgan angewiesen sind. Für sie ist die Organspende oft die letzte Hoffnung.
Das Thema Organspende ist vielschichtig und betrifft grundlegende Werte. Wer sich für eine Organspende entscheidet, muss sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen und die Auswirkungen einer Spende für sich selbst und die An- und Zugehörigen verstehen. Das Fachgespräch beleuchtet dieses komplexe Thema aus ethisch-theologischer, medizinischer und politischer Perspektive. Es wird von der Evangelischen Akademie zu Berlin gemeinsam mit der Bevollmächtigten des Rates der EKD. Es soll einen vertraulichen Rahmen für einen Austausch der Positionen bieten.
19.00 Uhr Ankommen
Möglichkeit zum informellen Austausch mit Getränken und Snacks
19.30 Uhr Begrüßung
Prälatin Dr. Anne Gidion, Bevollmächtigte des Rates der EKD
19.45 Uhr Widerspruchslösung? Theologisch-ethische Überlegungen
Dr. Hendrik Meyer-Magister, stellvertretender Direktor, Ev. Akademie Tutzing
Dr. Eske Wollrad, Geschäftsführerin, Evangelisches Zentrum Frauen und Männer gGmbH
20.30 Uhr kurze Pause
20.45 Uhr Organspende im Spannungsfeld von Leben und Tod – Perspektiven aus der Praxis
Florian-Sebastian Ehlert, Pastor, Leiter der Arbeitsstelle Ethik im Gesundheitswesen im Kirchenkreisverband Hamburg, Trainer für Ethikberatung im Gesundheitswesen K3, Pastoralpsychologe
Prof. Dr. Arzu Oezcelik, Leitung Viszerale Transplantation, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum Essen
21.15 Uhr Diskussion mit Referierenden und Teilnehmenden
21.50 Uhr Ausblick und Abschluss
Dr. Friederike Krippner, Direktorin, Evangelische Akademie zu Berlin
Ende gegen 22 Uhr
Moderation:
Simone Ehm, Studienleiterin Ethik in den Naturwissenschaften, Ev. Akademie zu Berlin
Dr. Patrick Schnabel, Referent bei der Bevollmächtigten des Rates der EKD
Haus der EKD
Charlottenstraße 53/54
10117 Berlin