Gleiche Chancen für junge Menschen

Gleiche Chancen für junge Menschen

Kommentar zum aktuellen Teilhabeatlas

Dr. Hannah Schilling

© Karin Baumann / EAzB

Chancengleichheit? Fehlanzeige. Der Wohnort bestimmt die Bedingungen für Kinder und junge Menschen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Unterschiede in Deutschland sind gravierend. Was Kirche tun kann, um die Teilhabe junger Menschen zu verbessern.

Kommentar von Hannah Schilling

„Es kann nicht jedes Rausgehen Geld kosten. Es kann nicht sein, dass man jedes Mal, wenn man rausgeht, von dem eh knappen Geld noch etwas bezahlen muss, um sich hinsetzen zu können. Wir brauchen mehr Dritte Orte, an denen man abhängen kann, ohne Kohle auszugeben. Mehr Parks, weniger Parkflächen, mehr Räume für Nachbarschaftsräume und Jugendzentren for free, mehr Platz für Langsamkeit in der Stadt. Es braucht Raum für Kinder, damit sie wachsen können und sie sollen mit entscheiden, wie die Räume genutzt werden.“

Orte, an denen junge Menschen sich aufhalten können und mitentscheiden dürfen – diese Forderungen sind Auszüge aus einem Manifest junger Erwachsener. Sie haben es gemeinsam während des Berliner Jugendwohnkongresses im Mai 2024 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin entwickelt. Die Evangelische Akademie zu Berlin hatte ihn gemeinsam mit Akteuren aus Kirche und Zivilgesellschaft organisiert.

Auch der jüngste Teilhabeatlas unterstreicht die Bedeutung von öffentlichen Orten, an denen Kinder und Jugendliche sich entfalten können. Hier kann Kirche aufmerksam hinhören und auf Gemeindeebene die eventuell schon vorhandenen Jugendräume und offenen Jugendtreffs ausbauen. Damit kann Kirche als Akteur weiterhin über Konfessionsgrenzen hinweg Räume bieten, die für alle Jugendliche kostenfrei zugänglich sind und selbst gestaltet werden können.

Gleichzeitig sind die Realitäten des Aufwachsens und die Teilhabechancen räumlich ungleich verteilt in Deutschland. Die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit sollte also weiter sozialraumsensibel bedarfsgerechte Angebote entwickeln. Die Clusteranalyse des Teilhabeatlas zeigt, dass gerade in den neuen Bundesländern, Kinder und Jugendliche vor anderen Herausforderungen stehen als im Süden Deutschlands.

Im Ballungszentrum Berlin konzentriert sich Kinderarmut. Hier sollten Angebote verstärkt werden, die für benachteiligte Kinder und Jugendliche Ressourcen zur Verfügung stellen, damit sie neugierig und selbstbewusst erwachsen werden können. Mitarbeiter*innen sollten reflexiv mit Barrieren umgehen, sodass armutsbetroffene Kinder und Jugendliche keine Stigmatisierung oder Ausgrenzung erleben. In Brandenburg und in der Schlesischen Oberlausitz leben junge Menschen zu einem geringeren Anteil. Die Wenigen haben vor allem mit schlechter (digitaler und mobiler) Infrastruktur zu kämpfen. Hier Orte des Zusammenkommens zu schaffen, die für möglichst viele zu erreichen sind, ist eine Frage, die über lokale Kinder- und Jugendarbeit hinaus geht. Vielmehr ist hier Lobbyarbeit für ein Recht auf Mobilität und digitale Teilhabe junger Menschen in ländlichen Räumen wichtig.

Lobbyarbeit für junge Menschen ist das eine – Kinder und Jugendliche reale Möglichkeiten der Be-teiligung in Entscheidungen zu Themen, die sie betreffen, zu bieten, das andere. Hier sollte Kirche auch innerhalb der eigenen Strukturen alte Routinen neu denken und Gremien und Entscheidungsstrukturen öffnen für die Stimmen der jungen Generation.

Die Jugendsynode im November 2024 ist so ein Beispiel für einen Anfang: Zum ersten Mal tagten Synodale der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und die Landesjugendvertretung in der EKBO gemeinsam. Kinder und Jugendliche der hiesigen Evangelischen Jugend (EJBO) trugen eigene Anträge in die Versammlung ein, die im Anschluss von der Synode weiterbearbeitet werden. Wichtig in solchen Beteiligungsstrukturen ist es, dass Kinder- und Jugendpartizipation nicht im Sande verläuft, sondern Anliegen umgesetzt werden oder plausibel erklärt wird, warum nicht.

Auch wenn die junge Generation selbst zu Wort kommen muss: Die Belange junger Menschen sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der demografische Wandel lässt die Sichtbarkeit qua Quantität der jungen Generation schrumpfen. Das ist sowohl im Gemeindeleben als auch im politischen Agenda-Setting längst Realität. Gesamtgesellschaftliche Verantwortung heißt dann an dieser Stelle auch, dass Beteiligungsstrukturen und jugendgerechte Räume nachhaltig finanziell abgesichert und dauerhaft zur Verfügung stehen müssen – in der Kirche und darüber hinaus.

Der Gastkommentar von Hannah Schilling, Studienleiterin für politische Jugendbildung, erschien zuerst in Nr. 23/2025 (1.6.2025) der evangelischen Wochenzeitung „Die Kirche“.

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Dr. Hannah Schilling 2021

Dr. Hannah Schilling

Studienleiterin für gesellschaftspolitische Jugendbildung

Telefon (030) 203 55 - 311

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