Bildstörungen

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Bildstörungen

Elemente einer antisemitismuskritischen pädagogischen und theologischen Praxis

Antijudaismus schafft Zerrbilder, die oft subtil und nur mit geschultem Blick zu erkennen sind. Wer sich einen „Pharisäer“ im Café bestellt, der scheinheilig Alkohol im Kaffee versteckt, wird das meist nicht im Bewusstsein tun, sich gerade an einer antisemitischen Denunziation zu beteiligen. Dabei reproduziert er oder sie ein antijüdisches Zerrbild, das entwickelt wurde, um das rabbinische Judentum zu diffamieren.   

Das im November 2020 begonnene Projekt Bildstörungen will Mut machen, in Religionsunterricht und Gemeindearbeit aktiv und kreativ mit judenfeindlichen Traditionen, Themen und Texten in der christlichen Tradition umzugehen. In Seminaren und Vorträgen, einem Podcast und Bildungsmaterialien sollen gängige Topoi des zeitgenössischen säkularen Antisemitismus, die bis in die Jugendkultur hinein allgegenwärtig sind, an ihre christlich-theologischen Wurzeln zurückverfolgt und dort bearbeitet werden. Denn der säkulare Antisemitismus ist ohne die christliche Rezeptionsgeschichte der Bibel nicht zu verstehen und nimmt – wenn auch meist unbewusst – deren in Jahrhunderten geschaffene und tradierte Bilder und Argumente auf.

Antijüdische Zerrbilder entstehen in drei theologischen und politischen Argumentationsfeldern:

  • bei der Suche nach der Schuld und den Schuldigen, die konkret verantwortlich gemacht werden können für das Unheil in der Welt, sei es Pandemie, Krieg oder Finanzkrise. Dafür werden Verschwörungsnarrative entwickelt, die auf der Passionsgeschichte und dem dort entstehenden Gottesmordvorwurf aufbauen.
  • In der Konstruktion dualistischer Weltbilder von Gut und Böse, Weiß und Schwarz, Freiheit und Gesetz, Liebe und Vergeltung wird das Jüdische mit dem Feind identifiziert und mit dessen Eigenschaften beschrieben.
  • Das „Neue“ verbessert und überwindet das „Alte“ in einer Enterbungstheologie, mit der das Judentum zur Vorgeschichte und Wurzel reduziert wird. Nach dieser Lehre hat das Judentum sein theologisches Existenzrecht verwirkt, weil es in Jesus Christus den Messias nicht erkannt habe. Die Weigerung der Juden und Jüdinnen, sich der christlichen Wahrheit zu unterwerfen, rechtfertigt demnach ihre Verfolgung, Vertreibung, und sogar Vernichtung.   

Aus diesen Dynamiken der Kollektivschuld, Überlegenheitshermeneutik und Enterbungstheologie entstehen konkrete Zerrbilder von den hartherzigen Pharisäern, der starren Gesetzesreligion, oder dem Rachegott. Das Projekt Bildstörungen sucht nach neuen Interpretationen und Auslegungen biblischer Texte und Motive, die mit diesen Traditionen und Dynamiken brechen. Erst auf diese Weise werden die biblischen Geschichten in ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit wieder lebendig und können gegen den Judenhass eingesetzt werden.

Das Projekt gehört zum Arbeitsbereich des Antisemitismusbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Christian Staffa. Finanziert wird es vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung.

Prof. em. Katharina von Kellenbach, PhD

Projektreferentin für „Bildstörungen: Elemente einer antisemitismuskritischen pädagogischen und theologischen Praxis“

Veranstaltungen

  • 2023 14 Dez

    Vortrag

    Online

    Der Samariter und die Nächstenliebe

    Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30-35) ist in unserer Kultur geläufig und zählt zu den bekanntesten Texten im Neuen Testament. Dabei wird diese Erzählung Jesu sehr oft als ein Beispiel für explizit christliche Nächstenliebe zitiert -… weiter
  • 2024 11 Jan

    Abendforum

    Online

    Die fremde Frau

    Der Beitrag des Buches Rut zur antisemitismuskritischen Theologie

    Das Buch Rut wurde bislang kaum als Gegenstimme genutzt zu antisemitischen Vorstellungen, die behaupten, dass Juden sich isolieren und außerhalb ihrer Gemeinschaft keine Ehen eingehen würden. In der biblischen Erzählung wird die Ausländerin Rut zur… weiter
  • 2024 8 Feb

    Vortrag

    Online

    Auge um Auge, Zahn um Zahn

    Rache oder Gerechtigkeit?

    Wie lassen sich die biblischen Geschichten ohne antijüdische Projektionsmuster erzählen? In unserer Reihe antisemitismuskritischer Bibelauslegungen nimmt Matthias Ederer die bekannte Redewendung «Auge um Auge, Zahn um Zahn» in den Blick. Wo immer… weiter
  • 2024 14 Mär

    Vortrag

    Online

    Israel und der Frieden in der Welt

    Maria Coors über die prophetischen Friedensvisionen

    Die christliche Friedensethik gründet sich neben den Texten des Neuen Testaments oft auf die prophetischen Friedensvisionen der hebräischen Bibel und die dort fundierte ethische Verknüpfung von Frieden und Gerechtigkeit für das Volk Israel. Die… weiter
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