Die alttestamentliche Ezechielprophetie inszeniert die kriegerische Eroberung und Zerstörung des Südreichs Israels unter dem babylonischen Herrscher Nebukadnezar zu Beginn des 6. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung als von Gott ungeheuer gewaltvoll ins Werk gesetzte, „verdiente“ Bestrafung seines Volkes Israel. Christliche Exegese hat dies immer wieder als Beweis für die Existenz eines gewalttätigen „alttestamentarischen“ Gottes gedeutet – und damit die Irrelevanz des Ersten Testaments im Christentum begründen wollen. Oder sie identifizierte sich mit dem als „Kriegsherr“ agierenden Gott und verstärkte darüber die Idee der Strafwürdigkeit Israels aufgrund seiner „übergroßen Sündhaftigkeit“.
Ruth Poser begibt sich auf die Spur anderer, neuer Lesarten dieser antijudaistischen Auslegungstraditionen und bezieht sozialgeschichtliche, traumasensible und feministisch-befreiungstheologischer Perspektiven mit ein.