"Aus Saulus wird Paulus. Als Prediger reist er durch das Land und spricht über seinen Glauben. Er ermahnt die Menschen und erklärt, dass man Christinnen und Christen vor allem an ihren Taten erkennt. Sie sollen sich gegenseitig unterstützen: 'Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst', spricht Paulus." So steht es zum Beisipel im Online-Magazin Sonntagsblatt.de (April 2023). So aber verstand sich Paulus nicht.
Gerade seine Betonung des Liebesgebots aus dem Buch Levitikus (19,18) verweist darauf, dass Paulus jüdisch blieb, aber auf Jesus als den Auferweckten, auf den Beginn einer neuen Zeit vertraute.
Die so übliche Redenwendung "vom Saulus zum Paulus", die noch immer auch in Lehrwerken und Materialien für den Religionsunterricht begegnet, unterschlägt das Jüdische bei Paulus und positioniert ihn bis heute gegen das Judentum. Dem wollen wir andere Auslegungen entgegensetzen.
Der katholische Theologe Prof. Dr. Jan Woppowa leitet an der Universität Paderborn das Institut für Katholische Theologie und lehrt Religionsdidaktik.
In unserer Reihe Antisemitismuskritische Bibelauslegungen stellen wechselnde Exegetinnen und Exegeten neue Bibelauslegungen vor, die der tradierten Stereotypisierung von Juden, Jüdinnen und Judentum entgegentreten. Die Vorträge sollen Lust machen, das Potenzial biblischer Texte neu zu entdecken und zu zeigen, wie sehr wir davon profitieren, wenn wir sie mit der jüdischen Tradition und nicht gegen sie lesen.